Kathrin Schmidt gewinnt den Deutschen Buchpreis
Überraschung in Frankfurt: Den deutschen Buchpreis für den Roman des Jahres bekommt Kathrin Schmidt für ihr Buch "Du stirbst nicht". Als Favoritin hate Nobelpreisträgerin Herta Müller gegolten.

Schmidts Roman "erzählt eine Geschichte von der Wiedergewinnung der Welt", hieß es in der Begründung der Jury. Silbe für Silbe, Satz für Satz erobere die Heldin, die nach einer Hirnblutung aus dem Koma erwacht, die Welt zurück. "Mal lakonisch, mal spöttisch, mal unheimlich" schildere Schmidt die Innenwelt der Kranken, dabei wachse "mit großer Sprachkraft" die Geschichte ihrer Familie, ihrer Ehe und einer nicht vorgesehenen, unerhörten Liebe hervor. Zur neu aus Fragmenten zusammengesetzten Welt gehören die zerfallende DDR, die Zeit zwischen Wiedervereinigung und dem Beginn unseres Jahrhunderts - dabei sei die Geschichte "so unaufdringlich wie kunstvoll in den Echoraum der historisch-politischen Wendezeit gestellt".

"Du stirbst nicht" autobiografisch geprägt

Die Preisträgerin zeigte sich bei der Verleihung grenzenlos überrascht. Sie habe keinerlei Rede vorbereitet, da sie es nicht für möglich gehalten habe, diesen Preis zu gewinnen, sagte Schmidt. Ihr Roman ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und stark autobiografisch geprägt: Die 1958 in Gotha/Thüringen geborene Autorin hatte 2002 selbst eine Hirnblutung erlitten und war lange Zeit unfähig zu sprechen.

Die Mutter von fünf Kindern arbeitete vor ihrer Schriftstellerkarriere unter anderem als Psychologin und Sozialwissenschaftlerin. In der DDR publizierte sie Gedichte und erhielt 1988 den Anna-Seghers-Preis. Nach der Wende wurde sie 1993 mit dem Leonce-und-Lena-Preis und 1998 dem Heimito-von-Doderer-Preis ausgezeichnet.

Die Jury für den Buchpreis ist aus Kritikern besetzt; die Auszeichnung gilt der "besten deutschsprachigen Neuerscheinung des Jahres". Unter den sechs Finalisten (Shortlist) waren neben Kathrin Schmidt auch die frisch gebackene Nobelpreisträgerin Herta Müller mit ihrem Roman "Atemschaukel" vertreten, außerdem Rainer Merkel ("Lichtjahre entfernt"), Norbert Scheuer ("Überm Rauschen"), Kathrin Schmidt ("Du stirbst nicht"), Clemens J. Setz ("Die Frequenzen") und Stephan Thome ("Grenzgang").

Immer wieder für Überraschung gesorgt

Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seit 2005 jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Der Preis hat sich seither zur Auszeichnung mit der größten Resonanz in Deutschland entwickelt. Auch in der Vergangenheit hatte die Jury immer wieder für Überraschungen gesorgt. Preisträger der Vorjahre waren Julia Franck ("Die Mittagsfrau"), Katharina Hacker ("Die Habenichtse") und Arno Geiger ("Es geht uns gut"). Im vergangenen Jahr war der Preis an Uwe Tellkamp gegangen, der mit seinem Roman "Der Turm" schon vorher als heißer Favorit gehandelt worden war.

Dotiert ist der von der deutschen Buchbranche vergebene Preis mit insgesamt 37.500 Euro, von denen der Sieger 25.000 Euro erhält. Alle deutschsprachigen Verlage konnten je zwei Romane aus ihrem aktuellen Programm einreichen. Insgesamt hat die siebenköpfige Jury 154 Titel gesichtet, die seit Oktober vergangenen Jahres erschienen sind.

evangelisch.de/dpa