Nationalelf: Mit Glück nach Südafrika
Miroslav Klose machte mit seinem Siegtreffer in der 34.Minute gegen das russische Team alles klar für die deutsche Mannschaft im "wichtigsten Spiel des Jahres" – als Gruppen-Erster reist die DFB-Auswahl nach Südafrika zur ersten WM-Endrunde auf dem schwarzen Kontinent. Russland kann die Tickets noch nachträglich über die Relegation lösen.
11.10.2009
Von Stefan Becker

Bombastischer Beginn im Luschniki-Park: 75.000 Zuschauer bejubeln den Auftritt ihrer Sbornaja und schmettern die russische Hymne. Über einer Tribüne weht ein gewaltiges Banner in den Farben weiß, rot und blau mit Mütterchen Russland oder doch einer Fußball-Legende? Definitiv eine Reminiszenz an den sozialistischen Realismus für die Bewerbung Russlands zum Austragen der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 oder 2022. Unter den Augen von Präsident Medwedew und Ministerpräsident Putin bringen sich die Spieler in Position – auf den frisch frisierten Halmen des Kunstrasens.

Über Wochen bestimmte ein Thema die heimischen Sport-Medien – werden sich die deutschen Kicker mit dem Plastikgras anfreunden oder fürchterlich darauf ausrutschen? Bundestrainer Joachim Löw hängte die Latte tief und hielt den Ball verbal ziemlich flach, was auf dem Boden ja die optimale Strategie sein soll: Wir müssen hier nicht gewinnen.

Genau so sah es anfangs auch aus – zehn Mannen in weiß-schwarz üben sich in der Defensive, zehn Mannen in dunkelrot-gold rennen dagegen an und zeigen mit flinken Füßen wie Kurzpass-Spiel funktioniert. Kerschakow stürmt links an Westermann vorbei aufs Tor und schießt – Torwart Rene Adler hält. Kerschakow kanns auch von rechts und scheitert wieder an Adler. Syrjanov versucht es, diesmal rettet Westermann. Dann ebbt die russische Anfangs-Euphorie etwas ab und das deutsche Team versucht sich in der Offensive. Mit den bekannten feinmotorischen Mitteln – hoher Ball von außen in die Mitte, flacher Ball von außen in die Mitte, Hauptsache in die Mitte und erst schießen, wenn es richtig eng wird.

Das machen die russischen Stürmer besser. Ihr niederländischer Trainer Guus Hiddink hat aus dem antiquierten englischen "kick and rush" ein agiles "rush and kick" entwickelt: präzise kurze Pässe prägen das Spiel, perfekte Abspiele und Annahmen. Aschawin demonstriert eindrucksvoll die Dynamik des Spiels, die Verteidiger Boateng und Mertesacker klären einen Angriff nach dem anderen. Und dann kommt alles anders! In der 34. Minute doppelpasst Podolski mit Özil, der täuscht frei im 16ner einen Schuss an – schiebt den Ball aber quer in die Mitte und genau vor die Füße von Miroslav Klose. Der macht das Ding. Fällt vorne über und haut dabei den Ball unhaltbar in die Maschen. Keiner kann es fassen. Das Stadion schweigt. Bis auf eine kleine Schar und die singt "So ein Tag, so wunderschön..."

Das große Zittern beginnt

Deutschland führt gegen Russland im Luschniki-Park mit 1:0 und die Gesichtszüge des Ministerpräsidenten Putin auf der Ehrentribüne wirken noch ein wenig strenger als sonst. Falls der DFB mit Gas heizt, sollten sich die Verantwortlichen diesen Winter warm anziehen. Vor der Pause kommt es noch zu Boatengs gelb-prämierter Notbremse vor dem 16ner und nach dem Wechsel beginnt vor dem Fernseher das große Zittern: Können sie das packen? Und wenn – wie?

Die Fußballwelt kennt die Antwort. Im speziellen deutschen Fall heißt sie schlicht "Glück" und das fehlt der russischen Mannschaft komplett. Sie spielen Powerplay vor dem Tor von Rene Adler, aber der hält. Sie spielen mit einem Mann mehr, nachdem Boateng wegen seiner zweiten lehrbuchmäßigen Notbremse vom Platz fliegt, aber sie treffen nicht. Als der eingewechselte Friedrich auch noch zur Notbremse grätscht, diesmal allerdings im Strafraum, bleibt der Elfmeterpfiff des Schweizer Schiedsrichters Busacca aus. Dafür pfeift er pünktlich nach 93 Minuten ab, trägt das 1:0 in den Spielbericht ein und schickt damit die deutsche Nationalmannschaft zur Finalrunde der WM nach Südafrika.

Jetzt kann sich die Republik endlich gezielt mit den Urlaubsplänen für die kommende Saison beschäftigen: Das Turnier beginnt bereits am 11. Juni, fast vierzehn Tage vor den ersten Sommerferien in Deutschland und dauert bis zum 11. Juli. Da in Südafrika das Grillen ebenfalls den Charakter eines Volkssports besitzt, wird diese Weltmeisterschaft selbst den Fußball-Skeptikern kulinarisch einiges bieten und dann gibt es da noch die brillanten Bouquets vom Kap der Guten Hoffnung. Nach England und den Niederlanden gilt Deutschland als drittgrößter Importeur für südafrikanische Weine. In diesem Sinne: Cheers!