Ehrenamt: Gemeinsame Zeit als Lohn
Die "Woche des bürgerschaftlichen Engagements" geht zu Ende. Rund 23 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten ehrenamtlich. Zum Beispiel als Paten-Omas. Ihnen ist sinnvoll verbrachte Zeit als Lohn genug.
10.10.2009
Philipp Isenbart (epd)

Wenn Reinhild F. auf ihren netten "Enkel" angesprochen wird, ist sie stolz. Obgleich die vitale Seniorin nicht die leibliche Großmutter des dreijährigen Jona ist, sondern seine Paten-Oma. Der Junge sitzt auf ihrem Schoß. Beide genießen die Zeit miteinander, und auch Jonas Mutter ist froh, dass Reinhild unentgeltlich aufpasst - und dem Paten-Enkel auch mal ein Eis kauft, wie eine richtige Oma eben.

Am Sonntag endet die "Woche des bürgerschaftlichen Engagements". Mit rund 1.000 Aktionen würdigte das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement die insgesamt 23 Millionen ehrenamtlich Arbeitenden in Deutschland. Der Schwerpunkt lag in diesem Jahr bei den besonders jungen und den besonders alten Aktiven. Wie Reinhild F. übt ein Drittel der über 60-Jährigen in Deutschland ein Ehrenamt aus.

5.000 Paten-Großeltern gibt es schätzungsweise bundesweit und etwa 150 Vermittlungsstellen wie Nachbarschaftsvereine, die Kontakte zwischen Eltern und Paten-Großeltern herstellen. "Um 1990 gab es in Deutschland die ersten lokalen Initiativen zur Vermittlung von Leihomas", sagt der Vorsitzende des deutschlandweiten Fördervereins Patenschaften-Aktiv, Randolf Gränzer. Das Modell sei gewachsen und habe auch Zukunft. Zu beobachten sei ein Trend zu jüngeren Paten, die noch nicht das Rentenalter erreicht haben.

Entwicklung zu Kleinfamilien in Städten

In Großstädten seien Nachfrage und Angebot an Paten-Omas relativ größer als in ländlichen Regionen, sagte Gränzer. Das liege vor allem an der stärkeren Entwicklung zu Kleinfamilien in Städten - so wie bei Jona in Osnabrück. Er und Reinhild F. haben sich im Mai des vergangenen Jahres über die "Nachbarschaftshilfe Haste, Dodesheide, Sonnenhügel" kennengelernt. Eine Anfrage nach einer Paten-Oma sei dort keine Seltenheit, betont der Vereinsvorsitzende Hartmuth Schulze.

Vor allem junge Mütter riefen oft an, "die mal zwei Stunden brauchen, um in Ruhe einkaufen zu gehen oder sich mit einer Freundin zu treffen", berichtet Schulze. Leibliche Omas wohnen oft zu weit weg oder sind schwer krank. So trifft Jona jede Woche Reinhild, sie gehen auf den Spielplatz oder in den Zoo. "Wir haben nach Leihgroßeltern gesucht, um noch eine Generation mehr mit ins Spiel zu bringen", sagt Jonas Mutter.

"Omi" - so wird Reinhild von Jona genannt. Diese Ansprache sollte in der Familie bleiben, meint hingegen Paten-Oma Hilde Schrewe. Daher lässt sich die 66-jährige Paderbornerin von ihrem fünfjährigen Paten-Enkel beim Vornamen nennen. Wenn Schrewe den Jungen von der Kita abholt und ihn nach Hause begleitet, bringt sie ihm einen Donut mit - "das ist ein kleines Ritual", sagt Schrewe. Er bleibt bei ihr, bis seine alleinerziehende Mutter abends von der Arbeit kommt.

Zeitnöte bei alleinerziehenden Müttern

Helga Krull vom Berliner "Großelterndienst" sind die Zeitnöte alleinerziehender Mütter vertraut: "Manchmal kommen einer hilflosen Mutter am Telefon die Tränen, weil sie einfach nicht mehr weiter weiß." Einige Mütter suchten ganz kurzfristig Hilfe, andere wiederum schon vor der Geburt des Kindes.

Während Schulze die von ihm vorgeschlagenen Paten-Omas aus der Nachbarschaftshilfe kennt, sprechen bei Krull in der Regel unbekannte Senioren vor. "Bei uns muss niemand ein Führungszeugnis vorlegen", sagt Krull. Viel wichtiger sei das persönliche Gespräch, in dem sie die Person und ihre Motivation kennenlerne. Kriterien sind für Krull zudem die Wohnortnähe zwischen Paten-Enkel und Senior und eine einigermaßen flexible Zeiteinteilung der Leihgroßeltern. Ebenfalls von Interesse sei die Etage, in der das Kind wohne. "Denn viele Ältere sind nicht mehr in der Lage, in den vierten Stock zu gehen", erläutert Krull.

Schrewe und die Paten-Oma aus Osnabrück haben einiges gemeinsam: Beide mögen Kinder und haben keine leiblichen Enkel. Beide wollen nicht Omas auf Zeit sein, sondern wünschen sich, dass die Patenschaft möglichst lange hält. Und beide wollen keine Bezahlung für ihr Engagement - die gemeinsame Zeit mit dem Wunschenkel ist ihnen Lohn genug.