Frankreich will mehr Strom aus Windrädern
Umdenken in Frankreich: Das atomkraftgesättigte Nachbarland will künftig stärker auf Windenergie setzen. Auch Präsident Nicolas Sarkozy gibt sich zunehmend umweltfreundlich.
08.10.2009
Von Ulrike Koltermann

Wer die Wolken hoch oben über der Windkraftanlage beobachtet, hat den Eindruck, dass der lange Mast sich langsam zur Erde neigt. Zum Glück ist es nur eine Sinnestäuschung, die 50 Meter langen Rotorblätter ziehen bei dem leichten Wind gleichmäßig ihre Kreise. Es sind die bislang leistungskräftigsten, seriell hergestellten Windräder, die das französische Technologieunternehmen Alstom kürzlich etwa 90 Kilometer südlich von Paris in Betrieb genommen hat.

Die sechs Anlagen bei Pithiviers haben jeweils eine Kapazität von drei Megawatt. Es gibt zwar bereits Windräder mit einer Kapazität von fünf Megawatt, aber dabei handelt es sich nach Angaben von Alstom um Prototypen, die bislang noch keine Windparks bilden. Zwar musste für die Eröffnungsfeier mitten auf dem Feld noch ein Generator den Strom liefern, aber künftig sollen der Windpark so viel Strom produzieren, dass ein Ort mit 25 000 Einwohnern damit versorgt werden könnte.

Im atomkraftgesättigten Frankreich haben erneuerbare Energien es bislang schwer gehabt. "Franzosen waren nicht wie die Deutschen darauf angewiesen, Kohlekraftwerke oder abgeschaltete Atomkraftwerke zu ersetzen", erklärt Philippe Cochet, Vizepräsident von Alstom Wind. Zwar setze Frankreich traditionell auf Wasserkraft, aber um den Aufbau von Windparks habe man sich erst spät gekümmert. Zu den prominentesten Gegnern gehört Ex-Präsident Valéry Giscard d'Estaing, der gegen die Eingriffe in die Landschaft und die Kosten wettert.

An vierter Stelle in Europa

Frankreich liegt bei Windkraft derzeit europaweit hinter Deutschland, Spanien und Italien an vierter Stelle. Doch die Wachstumsraten sind kräftig: Vor fünf Jahren lag die Windkraftkapazität noch bei weniger als einem Gigawatt, vor kurzem wurde die Schwelle von vier Gigawatt überschritten. Bis 2020 soll die Kapazität nach Plänen der Regierung auf 25 Gigawatt ausgebaut werden, sechs davon durch Windkraftanlagen vor der Küste.

Windkraftanlagen vor der Küste sind nach Ansicht von Cochet technologisch aber noch nicht so ausgereift, dass sie die Windräder auf dem Land ganz ablösen könnten. "Je weiter die Anlagen von der Küste entfernt sind, desto teurer wird es, sie an das Stromnetz anzubinden und zu warten", sagt er.

Markt lockt deutsche Unternehmen an

"Inzwischen hat man auch in Frankreich eingesehen, dass Windkraft eine ernstzunehmende Energiequelle ist", meint Cochet. Die Akzeptanz in der Bevölkerung wachse allmählich. "Natürlich gibt es Ärger, wenn Windräder hinter einem alten Schloss aufgestellt werden sollen, man muss die Orte eben sorgfältig auswählen", fügt er hinzu. Der französische Markt lockt auch deutsche Unternehmen an. So hat der Hamburger Hersteller REpower im vergangenen Jahr 42 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 84 Megawatt nach Frankreich geliefert.

Präsident Nicolas Sarkozy gibt sich angesichts eines spürbaren Aufschwungs der Grünen in Frankreich auch zunehmend umweltfreundlich. «Für jeden Euro, den wir für Atomenergie ausgeben, werden wir einen Euro in erneuerbare Energien investieren», kündigte er an. Es gehe nicht um ein Entweder-Oder zwischen Atomkraft und erneuerbaren Energieträgern, sondern um eine intelligente Mischung.

Zu den eifrigsten Verfechtern von Windkraft in Frankreich zählt die Anti-Atomkraftbewegung. Sie verweist dabei gern auf das Beispiel von Deutschland: Dort habe man sich auch an die Windräder gewöhnt. Die Windkraftanlagen verschandelten die Landschaft auch nicht schlimmer als die mächtigen Strommasten, argumentieren sie.

dpa