Landeskirche bittet Heimkinder um Vergebung für Unrecht
Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und ihre Diakonie haben ehemalige Heimkinder um Vergebung für erlittenes Unrecht in der Nachkriegszeit gebeten.

Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und ihre Diakonie haben ehemalige Heimkinder um Vergebung für erlittenes Unrecht in der Nachkriegszeit gebeten. "Uns beschämt, dass in den 50er und 60er Jahren unser christlicher Anspruch von der Wirklichkeit oft nicht gedeckt wurde", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die Diakonie-Direktor Christoph Künkel am Mittwoch in Hannover bei einer Tagung mit ehemaligen Heimkindern abgab.

In den Einrichtungen der kirchlichen Jugendfürsorge sei es häufig zu Gewalt und massivem psychischen Druck gekommen. "Dadurch ist die Würde der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen oft nachhaltig verletzt und ihr Leben beschädigt worden", heißt es in der Erklärung. Die hannoversche Landeskirche, die drei Viertel Niedersachsens umfasst, stellt sich damit als erste evangelische Landeskirche in Deutschland der Verantwortung für das Schicksal der ehemaligen Heimkinder.

Einzelschicksale seien über lange Jahre verschwiegen worden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den personell oft unterbesetzten Heimen für ihre Aufgabe häufig nicht ausreichend qualifiziert gewesen, so das Papier weiter. "Uns beschämt, dass die staatliche Einweisungspraxis oft leichtfertig war, dass es an einer kompetenten Heimaufsicht gefehlt hat und das Miteinander von Jugendämtern und Fürsorgeeinrichtungen meist unreflektiert und unkritisch gestaltet wurde." Aus dem Versagen der Vergangenheit hätten sie gelernt. Deshalb setzten sie sich heute konsequent für eine Pädagogik ein, die von der "bedingungslosen Annahme jedes Menschen" geprägt sei.

Betroffene fordern Entschädigung

Der Verein ehemaliger Heimkinder forderte eine finanzielle Entschädigung für das erlittene Unrecht. Auf Bundesebene verhandelt darüber derzeit ein "Runder Tisch". In Niedersachsen will ein Landesarbeitskreis dazu beitragen, das Schicksal der Heimkinder aufzuarbeiten. Landessozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) nannte es "außerordentlich beschämend", was die Heimkinder an körperlichen und seelischen Demütigungen erlitten hätten: "Dieses Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden." Es müsse aber öffentlich anerkannt werden.

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann rief dazu auf, Fehlverhalten anzuprangern und die Vergangenheit aufzuarbeiten: "Verfehlungen müssen offen eingestanden werden." Zugleich müssten die traumatisierte Opfer Hilfe erhalten. Zwischen 1945 und 1975 wuchsen bundesweit rund 850.000 Kinder und Jugendliche in Waisen- und Erziehungsheimen auf. Drei Viertel der Heime wurden von kirchlichen Trägern geführt. Viele Insassen litten unter brutalen Erziehungsmethoden, Arbeitszwang, Prügel und sexuellen Übergriffen.

Die Erklärung im Wortlaut finden Sie hier.

epd