Freispruch für Ex-Chef der Hilfsorganisation Cap Anamur
Die Männer von Cap Anamur hatten 37 Flüchtlinge aus dem Meer aufgenommen und dafür gesorgt, dass sie in Italien an Land gehen konnten. Jetzt sind sie vor einem sizilianischen Gericht freigesprochen worden. Cap Anamur zeigte sich erleichtert: Das Urteil sei "ein Erfolg für die Menschlichkeit".

Freispruch für den ehemaligen "Cap-Anamur"- Vorsitzenden Elias Bierdel: Über fünf Jahre nach der spektakulären "Cap-Anamur"-Aktion zur Rettung afrikanischer Flüchtlinge im Mittelmeer ist der ehemalige Vorsitzende der Hilfsorganisation vor einem Gericht auf Sizilien freigesprochen worden. Auch Bierdels Ex- Kapitän Stefan Schmidt konnte als freier Mann das Gericht verlassen. Beiden Männern hatte wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung in einem besonders schweren Fall vier Jahre Haft gedroht.

Bierdel und Schmidt hatten im Sommer 2004 mit dem Hilfsschiff "Cap Anamur II" im Mittelmeer 37 Afrikaner aus einem überfüllten Schlauchboot gerettet, das zu sinken drohte. Die Bootsflüchtlinge durften erst nach einer dreiwöchigen Irrfahrt durchs Mittelmeer in Sizilien an Land gehen. Die italienischen Behörden hatten damals den Standpunkt vertreten, die Flüchtlinge hätten in Malta an Land gehen müssen, da sie in maltesischen Gewässern aufgegriffen worden seien. Schließlich gaben die Italiener unter dem Druck der öffentlichen Meinung nach und nahmen die Afrikaner auf, schoben sie aber später wieder ab. Bierdel und Schmidt wurden vorübergehend festgenommen. Kritiker warfen ihnen die Inszenierung eines Medienspektakels vor.

Flüchtlingsproblem nach wie vor aktuell

Beide zeigten sich am Mittwoch glücklich über den Ausgang des dreijährigen Prozesses. Bierdel, der einen Schuldspruch aus "politischen" Gründen befürchtet hatte, sagte, der Freispruch sei eine "echte Sensation". Schmidt erklärte: "Dieses Urteil ist wichtig für alle, die Gutes tun." Auch die Hilfsorganisation Cap Anamur reagierte mit großer Erleichterung. "Der Freispruch ist das folgerichtige Urteil eines fragwürdigen Strafprozesses. Denn die Rettung von Menschenleben darf nicht juristisch geahndet werden", erklärte das Notärztekomitee am Mittwoch in Köln.

In Italien ist das Problem der Immigration übers Mittelmeer weiter hoch aktuell. Nachdem das Land im vergangenen Jahr 36.500 gestrandete Bootsflüchtlinge zählte, gibt es seit Mitte Mai die umstrittene Praxis der direkten Abschiebungen vom Meer aus. Dabei werden die Menschen, die oft schon tagelang in überfüllten, seeuntüchtigen Fischerbooten unterwegs sind, von der Küstenwache oder der Finanzpolizei direkt wieder nach Libyen abgeschoben, ohne vorher einen Fuß auf italienischen Boden setzen oder Antrag auf Asyl stellen zu können.

Hilfsorganisationen wie etwa das Flüchtlingshochkommissariat der UN (UNHCR) kritisierten wiederholt, Italien verstoße auf diese Weise gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Prozesse wie der gegen die "Cap Anamur" machten Fischern und anderen Seeleuten zusätzlich Angst. "Ich kenne viele, die von ihrer Reederei bereits gesagt bekommen: 'Guck lieber weg'", erklärte Kapitän Schmidt. Die Urteilsbegründung werde erst in drei Monaten veröffentlicht, teilte das Gericht am Mittwoch mit.

"Ein Erfolg für die Menschlichkeit"

Der Frachter "Cap Anamur II", der 2004 bei der Rettungsaktion zum Einsatz kam, wurde damals von den italienischen Behörden beschlagnahmt und lag sieben Monate im Hafen fest. Später konnte die Organisation das Schiff angesichts der hohen Kosten nicht mehr instand setzen. Der Ruf von Cap Anamur litt. Sogar Gründer Rupert Neudeck, der erst 2002 den Vorsitz an Bierdel abgegeben hatte, meldete sich damals verärgert zu Wort: "Es wäre besser gewesen, mit den 37 Geretteten nach Hamburg oder Lübeck zu fahren, um sie dort an Land zu bringen, als sie mit drohender Gebärde an der Küste Siziliens in einen italienischen Hafen zu zwingen."

Dennoch betonte die Organisation nach dem jetzt verkündeten Urteil, dass "selbst der Staatsanwalt" in seinem Plädoyer anerkennen musste, "dass die 37 Menschen ohne das schnelle und beherzte Eingreifen der 'Cap Anamur'-Crew ertrunken wären". Zivilcourage dürfe nicht bestraft werden: "Es ist ein wichtiger Tag für die humanitäre Arbeit und ein Erfolg für die Menschlichkeit", sagte die aktuelle Vorsitzende Edith Fischnaller.

Die Kölner Organisation Cap Anamur wurde 1979 gegründet. Zu internationaler Bekanntheit kam sie in den 80er Jahren durch die Rettung tausender Vietnam-Flüchtlinge im Südchinesischen Meer.

dpa