Wenn die Bionadebourgeoisie in die Futternarkose fällt
Jetzt können auch "Ellis" (Eltern) mit einem neuen Buch ihr Deutsch "pimpen", also den Wortschatz aufmotzen: Die Duden-Redaktion und die Beratungsfirma Trendbüro haben ihr fast zehn Jahre altes Szene-Wörterbuch erneuert - mit Hilfe von Internetnutzern. Seit ein paar Tagen ist "Das neue Wörterbuch der Szenesprache" im Handel.

Wenn ein "MoF" (Mensch ohne Freunde) mal wieder total "gepsycht" (gestresst mit Folgen für die Befindlichkeit) vom "Pärchenterror" eines "Fruppies" (frustrierten Yuppies) und einer "Fashionista" (sehr modebewussten Frau) ist, dann macht ihm vielleicht der unterhaltsame Szene-Duden bessere Laune.

Vor ein paar Wochen erst ist der neue "Duden - Die deutsche Rechtschreibung" erschienen. Etwa 5000 Begriffe sind neu in der inzwischen 25. Auflage, darunter "Einbürgerungstest", "Gesundheitsfonds", "Herdprämie" oder "Hybridauto". Andere Wörter, die in der Auflage zuvor als "veraltet/veraltend" geführt worden waren, flogen indes raus: "Genüssling" zum Beispiel oder "Cochonnerie" (Schweinerei).

Das Szene-Wörterbuch - pünktlich zur Frankfurter Buchmesse erschienen - ist ein bisschen so was wie der rebellische kleine Bruder des "normalen" Dudens. Das Nachschlagewerk versteht sich als "Momentaufnahme" des Sprachgebrauchs. Trotzdem gibt es Wörter, die sowohl im "etablierten" als auch im "fancy" (modischen) Duden stehen - zum Beispiel "Abwrackprämie", "fremdschämen", "Komasaufen", "twittern" oder "vorglühen". Im Szene-Duden werden sie aber etwas lockerer erklärt.

700 Begriffe aus mehreren Lebenswelten

Basis für das neue Wörterbuch war ein Szenesprachenwiki (ein Online-Wörterbuch), in dem Internetnutzer von März bis etwa Juni angesagte Wortschöpfungen vorschlagen konnten.

Die gedruckte Version stellt nun in sechs Kapiteln mit künstlichen englischen Namen wie "Stylelife" mehr als 700 Begriffe aus verschiedenen Lebenswelten vor. Für die Redaktion war das Auswahlkriterium, "dass die Wörter einerseits verbreitet sind, andererseits noch nicht in traditionellen Wörterbüchern stehen".

Im "Social Life" sind das demnach Begriffe wie "bitchen" (zickig sein, Zickenterror verbreiten; auch: gleichzeitig mit mehreren Menschen rummachen), "Casual Sex" (zwangloser Sex unter guten Bekannten), "Chatlag" (Mix aus Chat und Jetlag: Überforderung beim Chatten) oder "Egoboost" ("Hochgefühl" des Ichs nach einem Lob oder Kompliment).

Im Kapitel "Techlife" geht es dagegen beispielsweise um "atten" (bei Onlinespielen die kurze Bezeichnung für attackieren), "E-diot" (elektronischer Idiot, jemand mit Halbwissen in Sachen Web 2.0), "Haecksen" (weibliche Hacker, also Computereindringlinge) oder den "Katzenblog" (privates Online-Tagebuch - langweilig und ohne Leser).

Nach dem Dönieren ein Konterbier

In der Rubrik "Nightlife" dagegen finden sich "Abflashen" (maßlose Begeisterung für etwas total Tolles), "beef" (handfester Streit) oder "dönieren" (nächtliches Döner-Essen). Oft begegnet man beim Ausgehen auch "Druffis" (Leuten unter Drogeneinfluss) oder "Gesichtsfasching" (Menschen mit entglittenen Gesichtszügen). Außerdem "shishen" Nachtschwärmer gerne mal (Wasserpfeife (Shisha) rauchen) und trinken am Folgetag ein "Konterbier" (also immer weiter, um den Kater zu verzögern).

Das "Stylelife" ist dagegen etwas für die "Bionadebourgeoisie" (Bio kaufende, grün wählende Szeneviertel-Bewohner) oder "Latte-Macchiato-Mamas" (trendbewusste Mütter).

Die Seiten rund ums "Serious Life" versammeln Erscheinungen wie "Bore-Out" (Langeweile im Job, die zu ähnlichen Symptomen wie Burn-Out führt), "Futternarkose" (Sättigung nach dem Lunch, die lähmt) oder den "Ökonozid" (Suizid aus ökonomischen Gründen).

Das "Medialife" hat indes Wörter hervorgebracht wie "Recall" (begehrte Wiedervorladung bei Castingshows), "Jesusphone" (Lästerbegriff für das iPhone, weil Fans der Firma Apple deren Chef Steve Jobs so anhimmeln) oder aber eine Umschreibung für die Gratis-Zeitschrift "Apotheken-Umschau": "Rentner-Bravo".

dpa