Sarah Wiener ist eine von denen, die mit ihren Kochsendungen den guten Geschmack in deutsche Wohnzimmer und Küchen zurückbringen wollen. "Es ist viel dramatischer, als wir uns das manchmal vorstellen können", sagt die Fernsehköchin. In einem Großteil der Haushalte werde nicht mehr gekocht.
Besonders Schulkinder litten dann unter schlechter Ernährung. "Die gehen in der Pause in den Discounter und kaufen sich Tortenböden, weil das satt macht", erzählt Wiener. Oder es werden japanische Nudelfertiggerichte geknabbert - ohne dass die Nudeln aus dem Tütchen vorher mit heißem Wasser überbrüht werden. "Dann sind wenigstens die Zähne beschäftigt."
14,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 5 und 17 Jahren sind übergewichtig, sechs Prozent aller Kinder werden in der Kieler Adipositas-Präventionsstudie sogar als fettleibig bezeichnet. Und Dicksein ist statistisch gesehen auch immer mehr eine Sache des Einkommens. Je weniger die Eltern im Geldbeutel haben, desto ungesünder ernähren sich die Familien und desto mehr Pfunde haben die Kinder auf den Rippen.
Richtig Essen ist auch eine Frage der Bildung
Fernsehköchin Wiener weiß, wovon sie spricht. Sie ist häufig in Schulen zu Gast. Seit fast zwei Jahren organisiert ihre Stiftung Koch- und Ernährungskurse an Schulen und Kindertagesstätten. Bis heute hat die "Sarah Wiener Stiftung" in 130 Schulen und Jugendbildungseinrichtungen Lehrer und Erzieher weitergebildet. "Essen hat auch etwas mit Bildung zu tun", sagt Wiener. Und genau dieses Wissen soll in den Schulen Wurzeln schlagen.
Für den Dortmunder Haushaltswissenschaftler Günter Eissing sind es aber vor allem die Eltern, die ihre Kinder bei der Ernährung im Stich lassen. "Der Haushalt, in dem sie leben, sorgt nicht mehr dafür", sagt der Professor der TU Dortmund.
Kindern werde lieber ein Euro für die Schule mitgegeben, als ihnen ein gesundes Butterbrot mitzugeben - auch wenn das günstiger wäre. "Obwohl das Haushalteinkommen gering ist, kommt dann abends der Pizzadienst", sagt Eissing. Danach gebe es einige Tage gar nichts mehr zu essen. Ab dem 20. eines Monats fehle dafür das Geld.
359 Euro stehen einem Hartz-IV-Empfänger für Ernährung und nicht-alkoholische Getränke zur Verfügung. Bei Kindern und Jugendlichen ist es noch weniger. Die Frage, ob das Geld reicht, damit sich ein Erwachsener gesund ernähren kann, ist seit Jahren heftig umstritten.
Zum Kochen fehlt grundlegendes Wissen
Auch Eissing hat die Frage an seiner Universität untersuchen lassen und kommt zu dem Ergebnis, dass das Geld reicht. Einerseits. Andererseits erfordere eine gesunde Ernährung für 359 Euro hohe Kompetenzen beim Einkauf, der Essensplanung und -zubereitung. Und das sei für die meisten Menschen einfach nicht zu schaffen. "Es gibt bestimmte Gruppen, die ihr Leben nicht mehr bewältigen können", sagt Eissing.
Viele Jungen und Mädchen müssten heute gar nicht mehr im Haushalt mithelfen. Früher wurde das Kochwissen von Generation zu Generation weitergegeben. Heute ist es das Übergewicht. Dicke Kinder fänden sich häufiger in Familien mit übergewichtigen Eltern, geringem Einkommen und niedrigem Sozialstatus, heißt es von den Kieler Forschern.
Bei den Tafeln in Deutschland können auch Menschen mit wenig Geld frische Lebensmittel bekommen. "Unser nachhaltiger Zielgedanke ist, dass sich die Leute mit Lebensmitteln eindecken und selber kochen", sagt der stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Tafeln, Jochen Brühl. Doch genau da liegt oft das Problem: "Die Leute haben verlernt zu kochen." Spargel, Avocado oder Aubergine blieben dann einfach liegen, weil viele nichts damit anzufangen wüssten, erzählt Brühl. "Da fehlt oft grundlegendes Wissen."