Krankenkassen fehlen 7,5 Milliarden Euro
Den gesetzlichen Krankenkassen droht im kommenden Jahr ein Defizit von knapp 7,5 Milliarden Euro. Millionen gesetzlich Krankenversicherte müssen sich deshalb auf Zusatzbeiträge auf breiter Front einstellen.

Der Schätzerkreis für die gesetzliche Krankenversicherung ging bei der am Dienstag veröffentlichten Prognose davon aus, dass wegen dramatischer Einnahmeausfälle infolge der Wirtschaftskrise der starke Ausgabenanstieg nicht gebremst werden kann. Basis der Prognose ist, dass der einheitliche Beitragssatz bei 14,9 Prozent bleibt und der Steueranteil im Gesundheitsfonds auf 11,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr steigt.

Die Ausgaben werden von 167 Milliarden Euro auf 174,2 Milliarden Euro steigen, teilte das Bundesversicherungsamt mit. Die Einnahmen der Kassen aus dem Gesundheitsfonds werden auf 166,7 Milliarden Euro taxiert. Im laufenden Jahr benötigen die Kassen ein krisenbedingtes Steuerdarlehen von 2,3 Milliarden Euro. Bisher waren Einnahmeausfälle in Höhe von knapp drei Milliarden Euro für 2009 erwartet worden.

Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, forderte, nun müsse die Ausgabenseite in den Blick genommen werden. "Angesichts der dramatischen Einnahmeausfälle der gesetzlichen Krankenversicherung dürfen die Einnahmen der Pharmaindustrie, der Krankenhäuser und der Ärzte nicht ungebremst steigen."

Allerdings ist nach Pfeiffers Einschätzung davon auszugehen, «dass selbst mit einem sehr engagierten Sparpaket dieses Minus nicht komplett ausgeglichen werden kann, ohne dass die Versorgungsqualität der über 70 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland leiden würde». Sie forderte die neue Regierungskoalition zu Entscheidungen auf der Einnahmeseite über den notwendigen Defizitausgleich auf.

Die Finanzprobleme dürften die Koalitionsverhandlungen zum schwierigen Punkt Gesundheit erschweren. Die FDP, die den Gesundheitsfonds ganz abschaffen will, sieht sich durch das Defizit in ihrer Kritik am Fonds bestätigt. Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem hält es für möglich, dass mehr als jede zweite Kasse im kommenden Jahr Zusatzbeiträge erhebt. Sollten diese wegen der Begrenzung auf ein Prozent des Bruttoeinkommens nicht ausreichen, sind auch Insolvenzen von Krankenkassen denkbar.

FDP gegen Erhöhung der Abgaben

Um die sich abzeichnende Finanzlücke zu schließen, könnte die Bundesregierung mehr Steuergelder als geplant in den Gesundheitsfonds fließen lassen oder rasch ein neues Sparpaket für das Gesundheitswesen beschließen. Möglich wäre auch eine Anhebung des Einheitsbeitragssatzes von derzeit 14,9 Prozent. Bei der Union, vor allem aber bei der FDP gibt es aber deutliche Vorbehalte gegen eine Erhöhung der Sozialabgaben.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte, die Kostensteigerungen dürften nicht einseitig den Versicherten über Zusatzbeiträge aufgebürdet werden. "Es ist kein Platz für weitere Belastungen", sagte sie der dpa. Zu befürchten sei, dass es wegen der "Privatisierungswut der FDP" schnell dazu kommen könne, "dass Leistungen wie Krankengeld oder Zahnersatz ausgegliedert werden und privat übernommen werden müssten. Das wäre fatal."

Buntenbach forderte, das Liquiditätsdarlehen des Bundes für die GKV in einen nicht rückzahlbaren Steuerzuschuss umzuwandeln. "Der Gesundheitsfonds darf nicht zur Konstruktion werden, die den Versicherten kaum noch Sicherheit bietet." Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) sprach sich gegen jede Ausweitung von Zusatzbeiträgen aus. Durch sie werde das Kostenrisiko einseitig auf die Versicherten abgewälzt, die Arbeitgeber würden aus ihrer Mitverantwortung entlassen.

dpa