FDP will Hartz IV durch Bürgergeld ersetzen
"Weg mit Hartz IV": Die Parole kennt man aus dem linken Spektrum. Die FDP erhebt in den Koalitionsverhandlungen eine ähnlich klingende Forderung. Was steckt dahinter?
06.10.2009
Von Ulrich Pontes

Grassierende Staatsverschuldung, versprochene Steuersenkungen und befürchtete Sparanstrengungen: Viel dreht sich bei den schwarz-gelben Koalitionsgesprächen um Geld und die Frage, wie die Sozialsysteme künftig zu finanzieren sind. Die FDP fordert nun im Hinblick auf das Arbeitslosengeld II, besser bekannt als "Hartz IV", einen Systemwechsel. "Wir wollen Hartz IV durch ein leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld ersetzen", sagte Hermann Otto Solms, FDP-Finanzexperte und ein Kandidat für den Posten des Bundesfinanzministers, der Tageszeitung "Die Welt". Auch in der Union gebe es Befürworter eines solchen Wechsels in der Sozialpolitik.

Alle steuerfinanzierten Sozialleistungen aus einer Hand

Der Plan der Freien Demokraten sieht vor, alle aus Steuern finanzierten Sozialleistungen zusammenzufassen - neben dem Arbeitslosengeld II etwa auch Sozialgeld, Wohngeld oder Kinderzuschlag. Bislang sind dafür verschiedene Behörden zuständig - künftig soll das Finanzamt alleine das Bürgergeld auszahlen. Im FDP-Wahlprogramm heißt es dazu, im Bundesdurchschnitt solle das Bürgergeld für einen Alleinstehenden ohne Kinder 662 Euro pro Monat betragen. "Leistungen werden grundsätzlich pauschaliert gewährt", Anpassungen etwa an das örtliche Mietpreisniveau sind vorgesehen.

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Weigert sich der Empfänger, eine "zumutbare" Arbeit anzunehmen, soll das Bürgergeld deutlich gekürzt werden. Andererseits sollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten klar und beschäftigungsfördernd geregelt sein, getreu dem Wahlkampf-Motto "Arbeit muss sich wieder lohnen".

Insgesamt verspricht sich die FDP von der Neuregelung weniger Bürokratie und Missbrauch sowie stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme. Etwa würden sich Mini-Jobs eher lohnen. Beschlossen haben die Liberalen das Bürgergeld-Konzept bereits bei einem Parteitag im Mai 2005 als eine aus ihrer Sicht notwendige Weiterentwicklung von Hartz IV. Der federführend an dem Konzept beteiligte FDP-Politiker Andreas Pinkwart sagte damals: "Hartz IV ist ein erster Schritt, aber gut gemeint ist nicht gut gemacht."

"Hartz IV": Neues Verständnis vom Sozialstaat

Durch "Hartz IV" - das vierte Gesetz, das auf Impulse der von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingesetzen Arbeitsmarkt-Kommission unter Leitung des damaligen VW-Personalvorstands Peter Hartz zurückging - wurden ab 2005 Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengefasst. Das Gesetz ist Teil der umstrittenen "Agenda 2010". Mit ihm wurden auch die sogenannten 1-Euro-Jobs geschaffen; der Druck auf Langzeitarbeitslose, einen Job anzunehmen, wurde verstärkt. Die Höhe des Arbeitslosengelds war immer wieder Gegenstand von Kritik.

Insgesamt stand "Hartz IV" für einen Wechsel im Verständnis des Sozialstaats: Vorher wurden Langzeitarbeitslose als Opfer der Tatsache behandelt, dass es insgesamt zu wenig Erwerbsarbeitsplätze gibt - nachher wurden sie unter dem Stichwort "Fördern und Fordern" stärker individuell dafür verantwortlich gemacht, aus der Arbeitslosigkeit möglichst schnell herauszufinden. (Mehr zu "Hartz IV" steht in einem Stichwortartikel des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland.)