Niemand als Roman Pola?ski selbst wird wissen, was es bedeutet, in Schuld verstrickt zu sein und Verantwortung tragen zu müssen: "Gottes Mühlen malen langsam, aber trefflich fein". Der weltberühmte Filmregisseur wurde auf dem Züricher Flughafen verhaftet. 1977 soll der Weltbürger mit einer damals 13-Jährigen in Kalifornien Sex gehabt haben. Pola?ski wurde der Vergewaltigung einer Minderjährigen unter Benutzung von Drogen, Perversion und Unzucht (mit Minderjährigen) und des Verteilens von kontrollierten Substanzen an eine Unter-14-Jährige beschuldigt. Er entzog sich einem Prozess in Los Angeles durch die Flucht nach Großbritannien und lebte fortan in Paris. Viele halten den Filmemacher für einen Pädophilen, der auch nach über 30 Jahren uneinsichtig geblieben ist.
Der Star- Regisseur Roman Pola?ski ist heute ein alter Mann, 76 Jahre. Verheiratet in dritter Ehe. Vater von zwei Kindern. Er gilt als der unkonventionellste Filmemacher der Gegenwart. Seine Filme sind so dramatisch wie seine Biografie: Satanismus, Gewalt, Flucht. Immer geht es um Menschen, die dem Bösen ausgeliefert sind – entweder in ihren Ängsten oder aber in der wirklichen Welt. Filme wie "Der Pianist" (2002) oder "Oliver Twist" (2005) oder das Filmmonster "Macbeth" (1971) belegen das.
Juristisch völlig offen
Die Sexaffäre von 1977 ist privat längst erledigt, aber juristisch völlig offen. Die Dreizehnjährige von damals ist heute eine Mittvierzigerin und Mutter von drei Kindern. In einem Gespräch mit der Zeitschrift "Vanity Fair" vom 14. August 2008 verzieh ihm die Frau und forderte Gnade für Pola?ski: "Der Vorfall verfolgt ihn genauso wie mich. In Amerika gilt er als Krimineller. Ich finde, er hat für seine Tat genug gebüßt. Wir haben nie wieder miteinander gesprochen, aber er hat mich wissen lassen, dass es ihm leid tut. Ich hege keinen Groll mehr. Menschen machen nun mal Fehler. Ich wünsche ihm viel Glück für alles, was er anpackt." Aber Pola?ski lebt weiter im Schatten der Vergewaltigung und für die Justiz ist die Sache noch lange nicht ausgestanden.
Gnade ist das Stichwort. Er selbst kann sie sich nicht besorgen. Gnade ist ein Gottesgeschenk. Die prominentesten Fürsprecher aus Polen und Frankreich können darum allenfalls bitten. Und selbst die besten Anwälte können ihm nur zu seinem Recht verhelfen. Wenn Gnade vor Recht geschehen soll, muss ein ganz anderer Prozess in Gang kommen. Das kleine Mädchen von damals hat ihn schon eröffnet und den ersten Schritt getan: Es weiß etwas von Vergebung und wünscht sich einen Pola?ski mit viel Glück im Alter. Das ist mehr als er erwarten konnte. Aber warum bittet er nicht selbst um Gnade? Fürchtet er einen juristischen Fehler zu machen? Verdrängt er, was er damals tat? Warum beklagt er sich, dass man ihn verteufelt? Hält er es am Ende gar für "normal", ein Kind sexuell zu benutzen? Über 30 Jahre gingen ins Land, bevor er 2008 die Einstellung des Verfahrens, eine Art Gnadengesuch, in Los Angeles beantragte. Der Auslieferungsantrag aus den USA ist die juristische Antwort. Gnade eine unmögliche Möglichkeit.
Hinweis: Dieser Kommentar ist erstmal am 1. Oktober bei evangelisch.de erschienen.
Über den Autor:
Dr. Friedhelm Borggrefe ist protestantischer Pfarrer aus der Pfalz - ehemals Dekan, heute im Ruhestand. Er ist auch für den Kirchenfunk im SWR als Autor tätig.