Die Überraschung war Frank-Jürgen Weise deutlich anzumerken: Mitten in der Krise präsentierte der Chef der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) am Mittwoch ungewöhnlich gute Arbeitsmarktzahlen. Denn mit 3,346 Millionen Erwerbslosen rutschte der Septemberwert auf ein Niveau, von dem die frühere rot-grüne Bundesregierung unter Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nur träumen konnte. Denn Anfang 2005 waren zum Start der Hartz-Reformen rund fünf Millionen Menschen ohne Job.
"Wir erleben eine Aufhellung des Arbeitsmarktes in der schwersten Rezession seit Jahrzehnten", freut sich Weise bei der Erläuterung der jüngsten Daten im Bundesagentur-Hochhaus. Bei der Suche nach den Gründen dafür stochern aber auch die Nürnberger Experten im Nebel.
Beim Blick ins europäischen Ausland scheint für Weise dennoch klar: "Wir in Deutschland haben die Arbeitslosigkeit offensichtlich besser gemanagt als viele andere Länder." Zum Beleg präsentierte er am Mittwoch Tabellen, die Deutschland bei der Eindämmung der Arbeitslosigkeit auf einem vorderen Platz sehen - und das, obwohl Deutschland wegen seiner großen Exportabhängigkeit von der weltweiten Krise mit am stärksten betroffen ist.
Für die Bundesagentur-Spitze kristallisiert sich unterdessen immer deutlicher heraus: Die vergleichsweise gute Verfassung des deutschen Arbeitsmarktes ist das Ergebnis einer konzertierten Aktion von Politik, Arbeitgebern, Beschäftigten und Gewerkschaften - unabgestimmt zwar, aber durchaus effektiv, wie die jüngsten Arbeitsmarktdaten zeigen.
Den Grundstein dafür hatten CDU und SPD mit der Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelung auf bis zu 24 Monaten gelegt - als Krisenpuffer bis zum Wiederanspringen des Konjunkturmotors. Die Unternehmen wiederum nutzten das Instrument in einem nie dagewesenen Umfang und verhinderten damit seit vergangenen Herbst Entlassungen im größeren Stil.
Dabei gehen viele Firmen nach Einschätzung von Arbeitsmarktforschern inzwischen bis an die Grenze des betriebswirtschaftlich Vertretbaren: Trotz geringer Auslastung zögern sie weiter, ihre Stammbelegschaften zu verringern - ob aus sozialer Verantwortung oder aus Sorge vor dem Verlust von Fachkräften bleibt meist im Dunkeln.
So mancher Beschäftigter hat für den Erhalt seines Arbeitsplatzes freilich einen hohen Preis zahlen müssen. Befristete Beschäftigungsgarantien, wie sie Betriebsräte und Gewerkschaften vor allem in größeren Industriebetrieben ausgehandelt hatten, gab es meist nur gegen Lohneinbußen. Auch die Kurzarbeit bescherte den Betroffenen Einschnitte bei Lohn und Gehalt.
Unklar bleibt, wie lange der informelle Jobsicherungs-Pakt noch hält. Denn schon die jüngsten Kurzarbeiterzahlen deuten auf ein Ende des arbeitsmarktpolitischen Stillhalteabkommens hin. Hatte die Bundesagentur für Arbeit noch im Juli Anträge für Kurzarbeitergeld für rund 210.000 Beschäftigte entgegengenommen, so ist die Zahl inzwischen auf rund 100.000 geschmolzen - für den DGB ein sicheres Zeichen, dass demnächst die Entlassungswelle heranrollt.
Kritiker verweisen zudem darauf, dass die offizielle Arbeitsmarkt- Statistik längst kein zuverlässiges Bild der Wirklichkeit liefert. Mehrere statistische Veränderungen haben den Kreis jener immer mehr verengt, die offiziell als arbeitslos gelten. So tauchen seit Mai jene Arbeitslosen nicht mehr in der Statistik auf, für die sich private Vermittler um einen neuen Job bemühen. Zählt man alle Jobsucher hinzu, die derzeit in Fortbildungen und Kursen stecken oder einen Ein-Euro-Job ausüben, hat Deutschland derzeit 4,47 Millionen Erwerbslose - rund 1,1 Millionen mehr als offiziell ausgewiesen.