Im Sommer 2004 schien beim MDR die Welt noch in Ordnung. "Wir haben nichts gefunden, da ist nichts dran", erklärte ein Sprecher des Senders, nachdem erste Korruptionsvorwürfe gegen den damaligen MDR-Sportchef Wilfried Mohren aufgekommen waren. Die Staatsanwaltschaft fand später allerdings eine ganze Menge Belastungsmaterial. Mohren verantwortet sich seit dem 10. September wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Betrug und Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Leipzig.
Beim zweiten Verhandlungstermin am Dienstag legte Mohren ein Geständnis ab. Unter anderem gab er zu, Provisionen von der Firma Techem und der Deutschen Sporthilfe erhalten zu haben. Weiter gab Mohren zu, im MDR Motorsportveranstaltungen übertragen und dafür Geld vom ehemaligen HR-Sportchef Jürgen Emig erhalten zu haben. Mohrens ebenfalls angeklagte Ehefrau Christiane legte ebenfalls ein Geständnis ab und bekannte sich der Beihilfe schuldig.
Wegen ihrer Aussagen heute können die Mohrens nun auf ein mildes Urteil hoffen. Der Vorsitzende Richter Carsten Nickel hatte bereits am ersten Prozesstag einen "Deal" vorgeschlagen: Sollten die Angeklagten "glaubhafte Geständnisse" ablegen und ihren Schaden "nach bestem Willen wieder gutmachen", dann sei die 11. Strafkammer bereit, beide mit Geld- und Freiheitsstrafen von maximal zwei Jahren zur Bewährung davon kommen zu lassen. Zwar lehnte die Staatsanwaltschaft dies bei der Verhandlung am Dienstag ab, Richter Nickel sicherte die Strafobergrenze aber einseitig zu.
Nach dem Prozess gegen den früheren HR-Sportchef Jürgen Emig, der im Sommer 2008 in Frankfurt stattfand, ist der Prozess gegen Mohren und seine Ehefrau Christiane ein weiteres Strafverfahren, in dem sich ein öffentlich-rechtlicher Programmmanager wegen Korruption verantworten muss. Die Fälle Emig und Mohren kamen 2005 zeitgleich an die große Öffentlichkeit. Sie haben Berührungspunkte, beide Male geht es um die Vermarktung von Sendezeit an Sportveranstalter und deren Sponsoren. Aber es gibt auch Unterschiede.
Geld für Sendezeiten
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll Mohren insgesamt rund 350.000 Euro aus verkaufter Sendezeit und Schleichwerbung erhalten haben. Die "Kunden" des MDR-Sportchefs waren prominent: So soll die in Eschborn ansässige Techem-Unternehmensgruppe zwischen 1997 und 2005 etwa 81.000 Euro Schmiergeld gezahlt haben, damit Mohren beispielsweise das unbedeutende Hallenfußball-Turnier "Techem-Cup" ins MDR-Fernsehen bringt. Und die Brauerei Hasseröder ließ es sich laut Anklage 64.000 Euro kosten, dass ihr Name werbewirksam in MDR-Sendungen erscheint.
Die Deutsche Sporthilfe zahlte 45.000 Euro für eine Tätigkeit Mohrens als "Medienbotschafter". Chef der Stiftung war damals Hans-Ludwig Grüschow, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender (und zuvor Vorstandsvorsitzender) bei Techem war. Grüschow, der 2005 im Zuge der Affäre von seinem Posten bei der Sporthilfe zurücktrat, gehört deshalb zu den Mitangeklagten im bevorstehenden Leipziger Prozess. Er muss sich wegen Bestechung verantworten, ebenso wie ein Manager einer weiteren Firma, die von Mohren begünstigt worden sein soll.
Mohrens Ehefrau Christiane wird Beihilfe vorgeworfen, weil die illegalen Geschäfte zum Teil über ihre
Firma abgewickelt worden sein sollen. Das erinnert an den Fall Emig: Dessen Ehefrau fungierte als stille Teilhaberin der Agentur SMP, über die Emig die Schmiergeldzahlungen laufen ließ. SMP wiederum spielt
auch im Leipziger Prozess eine Rolle, weil Mohren nach Absprache mit Emig SMP-Produktionen ins MDR-Fernsehen übernommen haben soll - gegen Extrahonorar, versteht sich. Ein kompliziertes Geflecht, das 2008 im Emig-Prozess nicht wirklich entwirrt wurde. Aber da war Mohren nur ein Randaspekt.
Affären der ARD
Spannend dürfte es in Leipzig werden, wenn Emig in den Zeugenstand treten sollte. Er kämpft gerade beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen seine Verurteilung zu zwei Jahren und acht Monaten Haft. Strafverschärfend wirkte sich aus, dass Emig vom Landgericht Frankfurt als Amtsträger eingestuft wurde - eine grundsätzliche Streitfrage, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt wurde. Wenn das Leipziger Gericht im Januar sein Urteil fällt, wird es aber mindestens Hinweise vom BGH haben, der am 28. Oktober über Emigs Revisionsklage verhandelt.
Emig wurde nicht nur wegen Bestechlichkeit, sondern auch wegen Untreue verurteilt. Das sehen die Leipziger Richter bei Mohren nach Aktenlage jedoch nicht. Es gebe derzeit "keinen hinreichenden
Tatverdacht" für den Vorwurf der Untreue, führten sie im Eröffnungsbeschluss aus - und wichen damit von der Anklageschrift ab. Offenbar sind sie der Ansicht, dass dem MDR die von Mohren akquirierten Gelder nicht zustanden.
Für die ARD kommt der Prozess alles andere als gelegen. Noch ist die Drehbuchaffäre beim NDR nicht völlig aufgeklärt, da blickt die Öffentlichkeit erneut in die Vergangenheit des Senderverbunds, als
Sportgrößen wie Emig und Mohren anscheinend unbehelligt agieren konnten.
epd