Der Regisseur Roman Polanski wird nach seiner Verhaftung in der Schweiz nicht bei Cologne Konferenz auftreten. Für den Freitagabend war dort ein Werkstattgespräch zwischen Polanski und dem eben erst mit dem Deutschen Fernsehpreis für die beste Dokumentation ausgezeichneten Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister über Polanskis neuen Film "Ghost" vorgesehen. Selbst bei einer Haftentlassung dürfe Polanski vorerst die Schweiz nicht verlassen, teilte das Justizministerium der Schweiz der Cologne Conference mit.
Dem Verhalten der Schweizer Behörden könne "nur fassungslos und mit großen Bedauern" zusehen, sagte Hachmeister. Wie auch immer man die Affäre aus dem Jahr 1978 bewerte, sei es hinterhältig gewesen, Polanski erst nach Zürich fliegen zu lassen, um ihn dann festzunehmen. "Man hätte ihm auch vorher sagen können, dass er in der Schweiz nicht erwünscht ist", sagte Hachmeister. Mit diesem Fall habe sich die Schweiz "kulturpolitisch Zuständen wie im heutigen Iran" angenähert. Die Cologne Conference werde die Polanski-Retrospektive als "Hommage an einen der bedeutendsten Regisseure des Weltkinos" wie vorgesehen zeigen.
Beistand von Kollegen
Zahlreiche Kollegen Polanskis aus der Filmbranche äußerten unterdessen öffentlich ihre Unterstützung für den Regisseur. Die Außenminister aus Polen und Frankreich bereiteten einen gemeinsamen Brief an die US-Regierung vor. In ihm wollen sie US-Präsident Barack Obama bitten, die Anwendung des Begnadigungsrechts erwägen. Polanski besitzt die französische Staatsbürgerschaft und wuchs in Polen auf. Sollte er an die USA ausgeliefert werden, droht ihm in einem Verfahren wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen im Jahr 1977 eine mehrjährige Haftstrafe. Sein Mandant stelle absolut keine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar, sagte der französische Anwalt Temime der Pariser Zeitung "Le Figaro".
Die Schweizer Justizbehörden hatten die Verhaftung nach Medienberichten präzise geplant. Nach einem Bericht des "Tages-Anzeigers" sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Los Angeles, Sandi Gibbons, die Zusammenarbeit mit der Schweiz sei ausgezeichnet gewesen, die Behörden hätten sich "sehr kooperativ" verhalten
Opfer selbst forderte Ende des Verfahrens
Der Filmemacher hatte den Missbrauch der 13-jährigen Samantha Geimer gestanden, war aber 1978 aus den USA geflüchtet. Geimer hatte inzwischen Sympathie für Polanski bekundet und vor Gericht ein Ende des Verfahrens gefordert. Sie sehe sich eher als Opfer der Medien und der Staatsanwaltschaft, die den Fall nicht ruhen lasse, hatte sie ihren Schritt begründet.
Nach einem Bericht der Zeitung "Blick" traf Polanskis Verteidiger Lorenz Erni seinen Mandanten noch in der Nacht nach der Verhaftung. "Herr Polanski war sehr müde. Er wirkte gefasst, zugleich aber auch schockiert", sagte Erni der Zeitung. Polanski war in die Schweiz gekommen, weil er auf einem Filmfestival für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden sollte.
Vor allem aus der Filmszene gab es heftige Kritik. Berlinale-Chef Dieter Kosslick und Studio Babelsberg forderten die sofortige Freilassung des Starregisseurs. "Die Internationalen Filmfestspiele Berlin protestieren gegen die willkürliche Behandlung Roman Polanskis", erklärte Kosslick am Montag. Ähnlich äußerte sich Babelsberg-Vorstand Christoph Fisser. Studio Babelsberg koproduzierte sowohl Polanskis Oscar-prämierten Streifen "Der Pianist" als auch sein neues Werk "The Ghost" mit Pierce Brosnan.
Schweiz beharrt auf Rechtsstaatlichkeit
Auch die Deutsche Filmakademie reagierte mit Empörung. "Polanski war vom Filmfest Zürich eingeladen worden, um für sein Lebenswerk geehrt zu werden. Er hat sich diese Ehrung vermutlich anders vorgestellt. Wir auch", teilten die Präsidenten der Akademie, Schauspielerin Senta Berger und Produzent Günter Rohrbach mit. Über seine Anwälte bedankte Polanski sich am Montag bei allen, die ihn seit der Verhaftung unterstützten.
Die Schweizer Justiz beharrt darauf, dass sie rein rechtsstaatlich gehandelt habe und Polanski vor einer Auslieferung alle Rechtswege offenstünden. Die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf unterstrich die Rechtsstaatlichkeit des Vorgehens. Sie verstehe nicht, dass Künstler, die sonst immer die Moral sehr hochhielten, in diesem Fall anders reagierten, sagte sie am Montag in den Medien.
Die Verhaftung Polanskis in der Schweiz verwundert die Kommentatoren auch deshalb, weil der Regisseur ein Ferienhaus im Wintersportort Gstaad im Berner Oberland besaß, das er regelmäßig besuchte. Besonders die Grünen im Parlament sowie Künstlerkreise kritisieren das Vorgehen der Schweizer Behörden.