Am Morgen nach dem Wahlabend reiben sich nicht wenige Menschen die Verwunderung aus den Augen. Nicht deshalb, weil es für schwarz-gelb gereicht hat. Das überrascht nicht auch auf Grund der Umfragewerte, die seit Monaten ein solches Ergebnis prognostiziert haben. Erst in den letzen Wochen vor der Wahl relativierten die Wahlforscher ihre Prognosen, sprachen von der Aufholjagd Steinmeiers. Nun haben die Deutschen also doch die Mehrheit von CDU/CSU und FDP gewählt und gewollt. Das ist nicht so überraschend.
Überraschen kann hingegen der historische Triumph der FDP. So stark waren die Liberalen noch nie in der Nachkriegszeit. Bei der Bundestagswahl 2002 hatten die Liberalen mal Muskeln gezeigt, sich die Zahl 18 auf T-Shirts drucken lassen und ein zweistelliges Ergebnis angepeilt. Vergleichsweise klägliche 7,4 Prozent waren damals herausgekommen unter dem kommentierenden Spott der berichtenden Presse in Deutschland.
Diesmal hat keiner eine Zahl aufs Hemd geschrieben. Diesmal hat die von Guido Westerwelle in diesem Wahlkampf geführte FDP einfach nur Kurs gehalten. Diesmal steht die Zahl – 14,5 Prozent – im vorläufigen amtlichen Endergebnis. Was oder wen haben die Deutschen gewählt?
Nach ersten Analysen lässt sich erkennen: Die Mehrheit der Wähler wollte keine Fortsetzung der Großen Koalition. Das Desaster für die SPD mit jetzt noch 23,1 Prozent und auch die vergleichsweise leichten Verluste der Union, die mit 33,8 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte erzielt, sprechen eine deutliche Sprache. Beide Regierungsparteien verlieren.
Es mag am lauen Wahlkampfduell der beiden Spitzenkandidaten Merkel und Steinmeier im Fernsehen gelegen haben, das vielfach hämisch als Ehen vor Gericht herabgewürdigt wurde. Vielleicht hatten die Wähler aber auch ein feines Gespür dafür, dass eine Große Koalition die Ausnahme in einer Demokratie sein sollte. Zweimal hat es diese Zusammenarbeit zwischen der Union und der SPD bisher gegeben, 1969 folgte darauf eine sozialliberale Koalition, jetzt also schwarz-gelb.
Probleme? Nein, der Wählerwille ist eindeutig! Probleme? Aber ja, zuhauf. Die neue Regierung muss sich mit den nach wie vor wirkenden Folgen der Wirtschaftskrise, mit riesigen Schulden und mit wahrscheinlich wieder wachsender Arbeitslosigkeit befassen, unter anderem. Und mit einer Opposition, die ein dreifaches Profil schärfen will: Die Grünen, die Linken und die SPD stehen in den Startlöchern, um der Regierung auf den politischen Pelz zu rücken. Probleme? Ja, allerdings. Denn eins dürfen wir auch nicht vergessen, und darauf haben am Wahlabend auf evangelisch.de gerade die Vertreter der evangelischen Kirche hingewiesen. Margot Käßmann, Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Hannover und Bernd Felmberg, Bevollmächtigter des Rates der EKD beim Bund und bei der Europäischen Union haben sie beklagt, die niedrige Wahlbeteiligung. Die niedrigste in der Nachkriegsgeschichte. Das traurigste Ergebnis vom Wahlabend. Dagegen müssen alle demokratischen Kräfte in diesem Land, darunter die christlichen Kirchen, dringend was tun.