Ist das Ende der Volksparteien gekommen? Diese Frage darf getrost gestellt werden angesichts des Wählervotums vom 27. September 2009. Die Sozialdemokratische Partei hat es regelrecht erwischt – sie verliert gegenüber der vergangenen Wahl von 2005 rund 11,1 %. Das ist ein Erdrutsch. Gemessen an der Wahl von 2002 ist das Ergebnis sogar noch verheerender. Da sind es dann noch mal rund 4,3 %. Von 38,5 über 34,2 auf nun 23,1 % geht die Talfahrt. Den Charakter einer Volkspartei haben die Sozialdemokraten damit zunächst wohl mal eingebüßt – vielleicht gelingt ihnen in der Opposition die Regeneration.
Die allerdings nicht leicht fallen wird. Denn die Linken mit ihren 12 % sind selbstbewusst, kündigen mit ihrem Spitzenmann Lafontaine in der Berliner Runde schon mal Opposition auf allen parlamentarischen Ebenen an. Also auch im Bundesrat. Es lässt sich leicht ausmalen, wie die Linke in der Lage sein kann, die SPD auch in der Opposition geradezu vor sich herzutreiben. Wie soll da die Rückkehr zur Volkspartei gelingen? Wohl nur mit der Linken zusammen. Wovon die SPD zurzeit aber noch ein gutes Stück entfernt ist.
Volkspartei nennen darf sich die CDU/CSU – noch. Zwar schafft die Partei der Kanzlerin ein Ergebnis über 30%. Aber mit den 33,7% verliert die Union nach den schwachen 35,2 % von 2005 weiter an Boden. Und eine Regierung geht auch nur mit starken liberalen Kräften. So stark wie nie hat Guido Westerwelle die FDP gemacht, der immer wieder in Deutschland der 5-Prozent-Tod vorhergesagt wurde. Nun lebt die Partei, kräftig wie nie zuvor. Und relativiert den Anspruch der Union auf den Rang einer Volkspartei.
Frank Walter Steinmeier, der traurige Spitzenkandidat der SPD, hat in der Berliner Runde am Wahlabend bedauert, dass es mit der Volkspartei SPD zu Ende gehen könnte. Die Volksparteien, so sagte er, haben der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik gut getan. So wird alles ein bisschen unberechenbarer, alles ein bisschen schwieriger. Schon sind die geblähten Segel einer weiteren politischen Kraft am Horizont zu erkennen. Die Piratenpartei bringt es auf fast 2 % - ein Husarenstück für eine Partei, die sich das erste Mal bundesweit den Wählern gestellt hat. Klar zum Ändern brüllen die politischen Piraten – da kommt vielleicht was auf uns zu.
Der 27. September 2009 hat die politische Landschaft in Deutschland kräftig durcheinandergewirbelt. Obwohl wir es sicher mit einer stabilen schwarz-gelben Koalition in den kommenden vier Jahren zu tun haben werden. Doch das Ergebnis hat Rekordwert – zum Guten und zum Schlechten. Einen traurigen Rekord haben die aufgestellt, die zuhause geblieben sind. 72,5 % Wahlbeteiligung sind ein Minusrekord, 5 % weniger als das letzte Mal. Landesbischöfin Margot Käßmann von der Landeskirche Hannover bedauerte das ebenso wie Bernd Felmberg, der Bevollmächtigte des Rates der EKD beim Bund und bei der Europäischen Union. 20 Jahre nach dem Mauerfall haben viel zu viele die Wahl getroffen, ihr Wahlrecht nicht wahrzunehmen. Das ist schade und das zu ändern eine Aufgabe - für Politik, Parteien, Wirtschaft, Kultur und Kirche.