Margot Käßmann, Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Bernd Felmberg, Bevollmächtigter des Rates der EKD beim Bund und bei der Europäischen Union, haben im Interview mit evangelisch.de eines in den Mittelpunkt ihrer Bewertung gestellt: Die Wahlbeteiligung ist enttäuschend niedrig. Wenn es tatsächlich nur 72,5% waren, die an die Urnen gingen, dann sinkt die Beteiligung am Wahlgang 2009 gegenüber 2005 noch mal um rund 5%. 20 Jahre nach dem Mauerfall. 20 Jahre, nachdem den Bürgerinnen und Bürgern in der DDR die Überwindung des sozialistischen Systems zugunsten der Demokratie gelungen war, wenden sich ein Viertel der Deutschen von ihrem Wahlrecht ab. Hier gilt es gegenzuhalten. Das ist die Aufgabe der kommenden vier Jahre für die Parteien, für die gesellschaftlich relevanten Gruppen, für Wirtschaft, Kultur und nicht zuletzt für die Kirchen. Denn das haben wir nicht vergessen: die friedliche Revolution in der DDR 1989 ging von den Kirchen aus.
Politisch sind die Weichen nun also auf schwarz-gelb gestellt. Für die evangelische Kirche ist das nicht dramatisch. Die Zusammenarbeit mit den Politikern beider Parteien wird sich gestalten lassen, CDU/CSU sind den Kirchen ohnehin zugewandt. Aber auch die Liberalen lassen keinen Zweifel daran, dass der christliche Glaube ein wichtiger Faktor in unserer Gesellschaft ist. Politisch schwierigere Zeiten für die EKD und die Katholiken deuten sich aber an: Mit dem zweistelligen Ergebnis der Linkspartei werden sich die Kirchenleitenden auseinandersetzen müssen. Margot Käßmann drückt die aktuelle Position der evangelischen Kirchen im Gespräch mit evangelisch.de unmissverständlich aus: Die Linken müssen sich aktiv damit auseinandersetzen, dass die SED in der DDR Christen drangsaliert haben. Von einem entspannten Verhältnis von Kirche und Linken kann zur Zeit nicht gesprochen werden.
Ob das Wort der EKD zur Wirtschafts– und Finanzkrise und die christlichen Vorstellungen von nachhaltigem Wirtschaften und Einschränkungen der Bankenmacht mit einer liberalen Wirtschaftspolitik zusammenpassen, bleibt abzuwarten. Das jedenfalls ist kein Selbstläufer. Auch in der Klimapolitik könnte es Differenzen geben. Mit schwarz-gelb steht jedenfalls zu erwarten, dass der Ausstieg aus der Atomkraft zumindest an Geschwindigkeit verliert.
Was auch immer sich entwickeln wird in den kommenden Jahren, soviel scheint sicher: Es wird eine stabile schwarz-gelbe Koalition geben, die es wohl über vier Jahre miteinander aushalten wird. Insofern hat der Wähler ein klares Wort gesprochen. Mit einer FDP, die mit knapp 15 % ein Allzeithoch eingefahren hat, können wir von einem gewichtigen liberalen Akzent ausgehen. Auf die Reibung mit christdemokratischen, vor allem aber christsozialen Positionen in Fragen der Besteuerung und der Gesundheitspolitik zum Beispiel dürfen wir gespannt sein.