[linkbox:nid=3056,2554,3062,3073,3078,3092,3085,3084,3103,3105;title=So waehlt Deutschland ]
Die rostgrünen Laternen auf der Admiralbrücke in Berlin-Kreuzberg sind von oben bis unten mit Wahlplakaten behangen. Grüne, Linke, SPD. Bürgerliche und Rechte fehlen. Dem SPD-Kandidaten haben Scherzbolde einen Oberlippenbart gemalt. Alle Plakate sind mit roten Stickern überklebt. „Wir haben keine Wahl!“, steht da, ein linksradikales Bündnis ruft mit dem Slogan zur Wahlverweigerung auf. Sara Diaz, 27, versteht das nicht. Sie würde heute Mittag gerne wählen. Aber sie darf nicht.
Diaz ist Spanierin und studiert in Berlin Textildesign. Nebenbei kellnert sie. Sie bezeichnet sich als politisch interessiert – und ist enttäuscht: „Ich finde das unfair. Ich lebe hier, ich arbeite hier. Und trotzdem kann ich nicht wählen.“ Als EU-Bürgerin darf die Rothaarige mit dem blassen Teint und den zarten Sommersprossen in Deutschland nur bei Kommunalwahlen ihr Kreuz machen. Zu wenig, findet sie.
Ein langweiliger Wahlkampf
Unbedingt wählen wollen. Viele junge Deutsche verspüren nicht diesen Drang. Diaz´ Freund, der ebenfalls 27-jährige Industriedesigner Daniel Schulze, sagt: „Der Wahlkampf war total langweilig. Deshalb ist in meinem Freundeskreis in letzter Zeit auch kaum über Politik diskutiert worden. Heute morgen ist mir überhaupt erst wieder eingefallen, dass ja Wahlen sind.“ Schulze zuckt mit den breiten Schultern, die Tüte mit Croissants in seiner Hand knistert. Er war gerade wählen, die Ergebnisse wolle er später kurz im Internet nachschauen.
„In Spanien habe ich mich bei der letzten Parlamentswahl mit meinen Freunden getroffen. Dann haben wir uns alles im Fernsehen angeschaut, den ganzen Tag lang“ sagt Diaz. Spannend sei das gewesen, das ganze Land habe 2004 die Abwahl des konservativen Präsidenten José María Aznar verfolgt. Schulze nimmt seine Freundin an die Hand, er will weiter. Dann sagt er: „Tja, so aufregend ist es bei uns halt nicht. Denn egal wer gewinnt: Bei uns wird doch alles gleich bleiben.“