Nach mehr als 30 Jahren hat den Star-Regisseur Roman Polanski die Vergangenheit eingeholt: 1978 floh er vor einer Verurteilung wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen aus den USA. Seitdem hat er das Land nicht wieder betreten. Am Samstag schnappte die Falle dann dennoch zu. Das Empfangskomitee des Film Festivals Zürich stand schon am Flughafen bereit, um den Ehrengast abzuholen. Stattdessen griff die Schweizer Polizei zu und vollstreckte einen internationalen Haftbefehl der amerikanischen Behörden. Wie der 76 Jahre alte Filmemacher - ein kleiner Mann, der schnell nervös wirkt - reagierte, ist unbekannt.
Sollte Roman Polanski jemals einen Film über sich selbst drehen, böte ihm die Schweiz die passende Kulisse: Immer wieder weilte er in den vergangenen Jahren in noblen Schweizer Ski-Orten wie Gstaad und verkehrte mit den Schönen und Reichen. So wie man in der Schweiz jahrelang nie zugab, Steuerflüchtigen Unterschlupf zu gewähren, so schonte man auch den seit 2005 weltweit und zuvor schon mit US- Haftbefehl gesuchten Regisseur. Der französische Staatsbürger hatte ungehinderten Zugang zur Eidgenossenschaft, nach Medienberichten besitzt er in der Schweiz sogar ein Ferienhaus. Nach internationalem Recht wäre die Schweiz aber verpflichtet gewesen, dem Verhaftungsgesuch der USA nachzukommen - wie es nun auch geschehen ist.
Immerhin wird dem polnisch-französischen Filmemacher vorgeworfen, 1977 eine 13-Jährige in der Villa seines Freundes Jack Nicholson ("Chinatown") mit Champagner und Drogen zum Sex verführt zu haben. Sex mit einer Minderjährigen gilt in Kalifornien automatisch als Vergewaltigung. Auch wenn ihm sein angebliches Opfer inzwischen vergeben hat - das Verfahren wurde nie geschlossen. Polanski verbrachte 42 Tage unter psychiatrischer Beobachtung. Unmittelbar vor der Urteilsverkündung floh er aus Angst vor einer längeren Gefängnisstrafe nach Frankreich. Seitdem hat er das Land nie wieder betreten. Auch zur Oscar-Verleihung im Jahr 2003, wo er dann für "Der Pianist" als bester Regisseur ausgezeichnet wurde, hatte er die Einreise nicht gewagt.
Sein damaliges Opfer hat ihm längst öffentlich verziehen. Doch erst im Mai war Polanski endgültig mit seinem Antrag gescheitert, das Vergewaltigungsverfahren in Kalifornien nach 32 Jahren endlich für geschlossen zu erklären. Ein Gericht in Los Angeles hatte sein Ersuchen abgelehnt und das persönliche Erscheinen des Regisseurs gefordert.
Wird er in die USA ausgeliefert, könnte dem Star-Regisseur deshalb eine mehrjährige Haft drohen. Die Schweiz wäre es, die der Gerechtigkeit nach vielen Jahres des "Auge-zu-Drückens" endlich zum Sieg verhilft. Das passt zum Trend: Das Land wandelt sich derzeit vom Saulus zum Paulus.
Anwalt will Widerspruch einlegen
Offiziell heißt es zur Festnahme, die Justizbehörden hätten erstmals genau gewusst, wann der Regisseur in die Schweiz einreist. Doch die Empörung im Land ist groß - auch weil hinter dieser Aussage ein weiteres Stück Schweizer Heuchelei vermutet wird. Schon im Streit um Steuerflüchtlinge mit Deutschland und den USA hatte sich gezeigt, dass Bern auf internationalen Druck hin schnell einknickt. In den Medien und im Parlament ist das bereits heftigst kritisiert worden. Nun dürfte die Reputation der Schweiz weiteren Schaden erleiden, befürchtet der Direktor des Schweizer Bundesamtes für Kultur, Jean- Frédéric Jauslin.
Ob die USA wirklich Druck gemacht haben, war zunächst nicht bekannt. In Bern wurde am Sonntag auch nicht ausgeschlossen, dass den USA in einer Art "vorauseilendem Gehorsam" ein Gefallen getan werden sollte. Denn der Steuerstreit mit den Amerikanern, bei dem schon das bisher heilige Bankgeheimnis fiel, ist noch nicht zu Ende. Immer noch drohen die US-Steuerbehörden, die Herausgabe der Namen von Steuerflüchtlingen zu erzwingen. Möglicherweise wurde mit Polanski ein Besänftigungsopfer dargebracht, mutmaßten Beobachter.
Roman Polanskis französischer Anwalt Georges Kiejman will gegen die Festnahme seines Mandanten Widerspruch einlegen. Er wolle erreichen, dass die Festnahme für ungültig erklärt werde, sagte Kiejman im französischen Rundfunk. Wenn notwendig, werde er auch die möglichen Rechtsmittel ausschöpfen, die ihm die Schweizer Justiz biete.