In der Diskussion um den Umgang mit sterbenskranken Menschen gibt es immer wieder begriffliche Verwirrungen. Besonders der Terminus der "passiven Sterbebegleitung" kann in die Irre führen. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe hat deshalb gefordert, das Absetzen lebensverlängernder Maßnahmen im Einvernehmen mit dem Patienten lieber korrekter als "Sterbebegleitung" zu bezeichnen. Diese Form ärztlichen Handeln müsse in jedem Fall scharf von der "aktiven Sterbebegleitung" im Sinne einer gezielten Tötung abgegrenzt werden. Dennoch sind die Grauzonen groß, und es gibt trotz des 2009 verabschiedeten Gesetzes zur Patientenverfügung viel Unsicherheit unter Ärzten und Pflegepersonal.
Sterbehilfe versus ärztliche Sterbebegleitung
Sterbehilfe ist in Deutschland nicht Gegenstand expliziter gesetzlicher Regelungen. Im konkreten Fall wird geprüft, ob der Tatbestand eines Mordes (§211)), Totschlags (§§212 und 213) oder einer Tötung auf Verlangen (§216) erfüllt ist. Suizid ist nach deutschem Recht kein Straftatbestand, die Beihilfe bleibt straflos, wenn zum Beispiel ein Freund ein Medikament besorgt, der Kranke es aber in vollem Bewusstsein der tödlichen Konsequenzen ohne fremde Hilfe einnimmt. Problematisch wird es aber, wenn ein Suizid nicht gelingt, denn Ärzte und Sanitäter sind zur Hilfeleistung verpflichtet. Wird die Beihilfe zur Selbsttötung außerdem durch einen Arzt oder nahen Angehörigen geleistet, wird das besonders streng untersucht, da diesen Personen in einem besonderem Verhältnis zum Kranken gestanden sind (Garantenstellung). Ihre Mithilfe kann als unterlassene Hilfeleistung unter Strafe gestellt werden.
Die Bundesärztekammer verabschiedete 2004 Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung. Danach wird die "gezielte Lebensverkürzung durch Maßnahmen, die den Tod herbeiführen oder das Sterben beschleunigen" als "aktive Sterbehilfe" und somit als "unzulässig und mit Strafe bedroht" abgelehnt. Allerdings wird akzeptiert, dass bei Sterbenden die "Linderung des Leidens" im Vordergrund steht und eine dadurch möglicherweise unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf – im Interesse des Kranken. Lebensverlängernde Maßnahmen können entsprechend dem erklärten Willen des Patienten abgebrochen oder ihre Anwendung unterlassen werden, wenn sie "nur den Todeseintritt verzögern und die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann".
Patientenverfügungsgesetz: Kirchen enttäuscht
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2009 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Patientenverfügung, das den möglichen Konflikt zwischen ärztlichem Urteil und Patientenwunsch beenden soll. Danach muss der Patientenwillen schriftlich abgefasst sein und Bevollmächtigte und Betreuer sind in jedem Fall daran gebunden. Niemand ist gezwungen, eine Patientenverfügung zu verfassen, sie kann jederzeit formlos widerrufen werden, auch mündlich. Neun Millionen Menschen haben nach Schätzungen bisher in Deutschland eine Patientenverfügung erstellt, viele davon entsprechen aber nicht den gesetzlichen Vorgaben oder sind unklar. Im Zweifelsfall muss auf jeden Fall geklärt werden, ob die jeweilige Patientenverfügung noch aktuell gültig ist. Eine ärztliche Beratung ist nicht vorgeschrieben, wird aber empfohlen. Die Kosten dafür müssen von den Patienten selbst getragen werden. Je nach Ärzteverband werden sie mit einer Summe zwischen 50 und 250 Euro veranschlagt.
Die beiden großen Kirchen haben das Gesetz zur Patientenverfügung enttäuscht kommentiert. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, sieht in dem im September 2009 in Kraft getretenen Gesetz über die Patientenverfügung keine Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Er bedauerte, dass der Deutsche Bundestag sich ausgerechnet für den von evangelischer wie katholischer Kirche besonders kritisierten Entwurf des Abgeordneten Joachim Stünker (SPD) ausgesprochen hatte. Diese gehe von einem zu engen Begriff der "Selbstbestimmung" aus, der den Fürsorge-Aspekt für das Leben vernachlässige. Huber forderte deshalb dazu auf, die Patientenverfügung so abzufassen, dass kritischen ärztlichen Stimmen im Falle von lebensbegrenzenden Maßnahmen genug Raum gegeben werde. Der bisherige Entwurf für eine christliche Patientenverfügung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche werde überarbeitet und den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst.