Das Sandmännchen feiert Geburtstag
Ganze Generationen haben sich allabendlich von einem drolligen kleinen Kerl mit Ziegenbart in den Schlaf verabschieden lassen. Er macht diesen Job seit fünfzig Jahren: Am 22. November 1959 streute er als Angestellter des Fernsehens der DDR den Kindern in Ostdeutschland erstmals Sand in die Augen. Natürlich war der kleine Kerl mit dem Ziegenbart auch Repräsentant seines Systems und daher Propagandafigur; deshalb gab es regelmäßig Stippvisiten im Palast der Republik, bei der Nationalen Volksarmee oder den Jungen Pionieren sowie Auslandsreisen in sozialistische Bruderstaaten wie Vietnam, Kuba und natürlich Osteuropa. Seine lange Lebensdauer aber verdankt der sympathische Geschichtenerzähler anderen Eigenschaften. Am wichtigsten ist dabei wohl die Verlässlichkeit. Seine Botschaft "Das Leben ist schön!" gilt selbst dann, wenn die Kurzfilme auch mal Ecken und Kanten haben. Selbst kleine Kinder können den mitunter durchaus spannenden Abenteuern trotz aller Aufregung mit einer gewissen Gelassenheit folgen, weil sie wissen: Am Ende wird alles gut.
Neben "Polizeiruf 110" und der unverwüstlichen Carmen Nebel ist der Sandmann eines der letzten Überbleibsel des Fernsehens der DDR. Wie die Krimireihe ist auch "Unser Sandmännchen" im Lauf der Zeit moderat modernisiert worden. Eltern, die mit den Geschichten aufgewachsen ist, gefällt das allerdings mitunter gar nicht: Viele vermissen das belehrende Element ihrer Kindheit; sie betrachten den Zubettbringer offenbar als Erziehungshilfe. Das allerdings wäre nicht mehr zeitgemäß. Damit die Eltern Zeit genug haben, das abendliche Ritual auch seinem Sinn entsprechend zu nutzen, hat der Kinderkanal die so genannte Abschaltpause erfunden: In einem Haus gehen nach und nach die Lichter aus; dazu erklingen die Stimmen von populären Kika-Figuren, die brav "Gute Nacht" sagen. Der Sandmann-Kollege aus dem Westen hat sich übrigens schon 1989 zur ewigen Ruhe begeben.
Der heutige Geburtstag wird gleich mehrfach gefeiert: Der RBB zeigt von 6 bis 9 Uhr eine Reise durch die Geschichte der Figur, ab 17.25 Uhr gibt’s im Kika eine Party und um 20.15 Uhr sagen MDR und RBB mit einer prominent besetzten Abendshow "Danke für die Träume!". Weitere Informationen: www.sandmaennchen.de.
Dort gibt es auch Hörproben aus Kinderlieder-CDs, die man mitsingen kann, weil der Text abgedruckt ist, Gute-Nacht-Geschichten zum Runterladen, Malvorlagen, Computerspiele, Bastelvorschläge und Rezepte aus dem Traumsandland. Außerdem kann man sich uralte Folgen anschauen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über zwanzig Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für epd medien und die Frankfurter Rundschau mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kinder und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 90er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf Grimme Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert Geisendörfer Preis, dem Medienpreis der evangelischen Kirche.