"Kommunikationskonzept Kernenergie – Strategie, Argumente, Maßnahmen" ist ein 109 Seiten starkes Papier überschrieben, das nun in die Öffentlichkeit gelangt ist. Worum es darin geht, wird gleich im ersten Satz deutlich: "Das Gesamtziel der vorgelegten Strategie ist es, die politisch-öffentliche Debatte um die Verlängerung der Restlaufzeiten deutscher Kernkraftwerke positiv zu beeinflussen."
Verfasst hat das Papier die "Unternehmensberatung für Politik- und Krisenmanagement", PRGS. Angeblich wollte sich die Agentur damit bei dem Kraftwerksriesen E.on um einen Auftrag bewerben, zu einer Zusammenarbeit sei es aber nicht gekommen, bekräftigen beide Unternehmen.
Unabhängig aber davon, ob die PRGS die Strategie nun tatsächlich für E.on entwickelt und das Energieunternehmen diese ganz oder in Teilen umgesetzt hat, bietet die "Bewerbung" doch tiefe Einblicke in die Strategien moderner PR.
Öko-Image
Insgesamt legt das Papier der Energiebranche nahe, sich ein Öko-Image zu verpassen. Erfolgreich sei eine Pro-Atom-Strategie dann, wenn "beharrlich mit dem Argument Klimaschutz und Versorgungssicherheit" der Schulterschluss zwischen Kernkraft und erneuerbaren Energien betont werde.
Um diesen Schulterschluss auch in der Öffentlichkeit zu demonstrieren, setzen die PR-Strategen auf die Macht der Medien. So machte sich die PRGS etwa die Mühe, die Energieexperten deutscher Leitmedien unter die Lupe zu nehmen und diese in politische Lager einzuordnen. Dabei werden unter anderem "Süddeutsche Zeitung", "Frankfurter Rundschau" und "die tageszeitung" als atomkritisch eingestuft, während unter anderem der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Wirtschaftswoche" eine atomfreundliche Linie unterstellt wird. Auch verschiedene Organisationen und Vereinigungen wurden anscheinend auf ihre Einstellung zur Atomkraft untersucht. Als atomfreundlich gelten der Studie zufolge unter anderem CDU, FDP und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Als atomkritisch werden unter anderem Greenpeace und die Kirchen eingeschätzt.
Wie nun die Medien sozusagen auf Kurs gebracht werden sollen, zeigt sich an verschiedenen Stellen in dem Papier. So heißt es etwa: "Politiker bevorzugen wie Journalisten quellenbasiertes Informationsmaterial, das die Neutralität der Information suggeriert." Und weiter: "Studien renommierter Institute gehen zwar ins Geld, rentieren sich jedoch, da die Glaubwürdigkeit des beauftragten Instituts nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen werden kann. Wenn man Glück hat beträgt die Halbwertszeit der bestellten Studie mehr als ein Jahr."
Auftrags-Studien
Mal abgesehen davon, dass der Begriff "Halbwertzeit" im Zusammenhang mit Atomkraft etwas belastet ist, legt der Passus den Schluss nahe, dass Unternehmen Institute mit Studien beauftragen, deren Ergebnisse vorab feststehen. Diese Studien werden dann herangezogen, um die eigenen Argumente mit dem Mantel der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit zu umhüllen. PRGS schlägt zum Thema Atomkraft sogar eine eigene Studie vor, zu der es heißt: Die Studienergebnisse werden danach journalistisch aufbereitet und Presse und TV zur Verfügung gestellt. Namentlich genannt werden dabei die Sendungen "Galileo" (ProSieben) und "Abenteuer Wissen" (ZDF).
Auch die Veranstaltung von diversen Tagungen und Diskussionsforen wird in der Studie vorgeschlagen. Wohl mit dem Ziel, mit diesen Foren Gegenstand der Berichterstattung in den Medien zu werden. "Die gezielte und wohl dosierte Einbindung kritischer Stimmen ist dabei unerlässlich. Wichtig ist, dass der Eindruck einer "Werbeveranstaltung" vermieden wird, heißt es in dem Papier.
Die Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" sieht die Studie als "schweren Eingriff in die Pressefreiheit und perfiden Manipulationsversuch mit geheimdienstlichen Mittel". "Die 109-seitige Studie, in der Journalisten der Leitmedien politisch einsortiert sowie Politiker und Experten instrumentalisiert werden, ist ein erschreckendes Dokument aus der Fälscher-Werkstatt der PR-Industrie", sagt der Netzwerk-Vorsitzende Thomas Leif. Einen "vergleichbaren Master-Plan zur gezielten und hemmungslosen Manipulation von Journalisten und Medien" liege der deutschen Öffentlichkeit bislang nicht vor.
Einfluss auf die Blogosphäre
Interessant ist auch, dass die PR-Strategen sich offenbar längst nicht mehr auf die sogenannten etablierten Medien verlassen, um ihre Botschaften zu platzieren. So findet sich in der Studie ein Absatz mit der Überschrift "Energiewende in der Blogosphäre". Wörtlich heißt es dort: "Beginnend mit einer Bestandsaufnahme relevanter Blogs werden Argumente pro Kernenergie in den Webdiskurs eingespeist. (…) Besonders Fragen der Versorgungssicherheit und Importabhängigkeit werden dabei angesprochen. Entsprechend der Ausrichtung identifizierter Blogs werden die entwickelten Argumente zielgruppenadäquat formuliert und eingespeist." PRGS-Geschäftsführer Hoffmann sagte evangelisch.de dazu, einen Vorschlag wie diesen würde er bei einem tatsächlichen Auftrag allerdings niemals unterbreiten. "Blogs kann man nicht steuern." Und doch darf man wohl davon ausgehen, dass der Versuch der "Unterwanderung" von Blogs durch Unternehmen und die gezielte Werbung für eigene Belange und Produkte bereits an der Tagesordnung ist.
Dass das PRGS-Papier nun ausgerechnet kurz vor der Bundestagswahl an die Öffenlichkeit gelangt ist, ist allerdings wiederum auch ein Hinweis gezielter PR, diesmal der Atomkraftgegner. Irgendjemand hat die Studie, die den Atomkraftgegnern Rückenwind verschafft, der Presse zugespielt. Die Politik nutzt das Papier bereits für ihre Belange. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat es auf ihrer Internetseite veröffentlicht.