Eine Versöhnung und zwei Eklats
US-Präsident Barack Obama hat vor der UNO-Vollversammlung eine neue Ära des Engagements der Vereinigten Staaten in der Welt ausgerufen. Extremismus und Klimawandel, Armut und Nuklearwaffen - derartige brennende Probleme müssten mutig und in gemeinsamer, globaler Verantwortung angegangen werden, sagte der US-Präsident. Weniger harmonisch ging es zu, als Libyens Staatschef Gaddafi und später sein iranische Kollege Ahmadinedschad zum Rednerpult traten.

"Die Zeit ist gekommen, dass die Welt sich in eine neue Richtung bewegt", sagte Obama in seiner ersten Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen am Mittwoch in New York. "Wir teilen eine gemeinsame Zukunft." Die internationale Gemeinschaft stehe vor zahlreichen Problemen: "Extremisten säen Terror in den Winkeln der Welt. Langwierige Konflikte schleppen sich dahin. Völkermord und Massengräuel. Mehr und mehr Nationen mit Nuklearwaffen. Schmelzende Polarkappen und geschundene Völker. Andauernde Armut und pandemische Krankheiten."

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Damit wolle er keine Angst säen, sondern Tatsachen festhalten, so Obama. Geboten sei nun eine "globale Antwort auf globale Herausforderungen". Bisher habe die Weltgemeinschaft die erforderliche Rolle nicht ausreichend wahrgenommen: "Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, müssen wir zugeben, dass wir dieser Verantwortung nicht nachkommen."

Indirekt Verständnis für Antiamerikanismus geäußert

Als einer der wichtigsten Aufgaben bezeichnete es Obama, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Falls dies nicht gelingen sollte, werde es in verschiedenen Regionen der Welt einen weiteren Rüstungswettlauf geben. Außerdem könnten Atomwaffen in die Hände von Terroristen fallen. Iran und Nordkorea sollten sich den Forderungen der internationalen Gemeinschaft anschließen.

Obama äußerte angesichts des amerikanischen Unilateralismus in der Vergangenheit und der Vorwürfe wegen der Verletzung der Menschenrechte indirekt Verständnis für manchen Antiamerikanismus. Aber Amerika habe sich verändert, das Gefangenenlager Guantanamo werde geschlossen, Folter in amerikanischem Namen habe er verboten. Obama betonte, dass kein Staat sich über andere Staaten stellen dürfe. Das gelte auch für die USA. Alte Gewohnheiten seien in einer Welt neuer Herausforderungen mehr und mehr irrelevant. Obama unterstrich, dass sein Land seine finanziellen Rückstände bei den UN beglichen habe und sich in den UN-Menschenrechtsrat habe wählen lassen.

Jedoch müssten alle ihren Teil der Verantwortung übernehmen: "Diejenigen, die Amerika stets gescholten haben, weil es allein in der Welt gehandelt hat, können jetzt nicht abseits stehen und abwarten, dass Amerika die Probleme der Welt alleine löst", sagte Obama. Kein Land, egal wie groß und mächtig, könne diesen Herausforderungen alleine begegnen. Obamas Rede wurde von der Vollversammlung mit großem Beifall aufgenommen.

"Sicherheitsrat ist Terrorrat"

Direkt im Anschluss löste der bevorstehende Auftritt des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi beträchtliche Unruhe aus, viele Delegierten der insgesamt 192 UNO-Mitgliedsnationen verließen den Raum. Versammlungsleiter Ali Treki versuchte mehrfach vergeblich, mit lautem Klopfen für Ruhe zu sorgen. Erst nach fast zehn Minuten erhob sich Gaddafi und schritt sichtlich verärgert ans Rednerpult - und warf der UNO vor, ihre eigene Charta zu brechen. Dabei bezog er sich auf den Weltsicherheitsrat.

In der Präambel der UN-Charta sei vorgeschrieben, dass alle Länder unabhängig von ihrer Größe gleichberechtigt seien, sagte Gaddafi. Dennoch seien die meisten Staaten nicht im fünfzehnköpfigen Sicherheitsrat vertreten, als Vetomächte hätten fünf Nuklearmächte das alleinige Sagen. Diese Besetzung sei "Terrorismus". "Das akzeptieren wir nicht, und das erkennen wir nicht an", sagte der Libyer sichtlich erregt, hielt ein Exemplar der Charta hoch und zerriss einige Seiten.

Ein großes Lob hatte Gaddafi allerdings für seinen Vorredner parat: Er schwärmte von Obama und wünschte sich ihn als US-Präsident auf Lebenszeit. "Haben Sie seine Rede gehört?" fragte Gaddafi in das Plenum. Obama sei völlig anders als alle US-Präsidenten vor ihm.

Ahmadinedschad: "Barbarische Attacken"

Stunden später - die Staats- und Regierungschefs halten ihre Reden vor der UN-Vollversammlung in einer ausgeklügelten Reihenfolge - sorgte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad mit scharfer Kritik an Israel für einen weiteren, ebenfalls erwarteten Eklat. Er nannte Israels Vorgehen gegen die Palästinenser "Völkermord": Das "zionistische Regime" gehe mit "barbarischen Attacken" vor. Israel boykottierte die Sitzung von vornherein; zahlreiche andere Teilnehmer, darunter auch die deutsche Delegation, verließen den Saal aus Protest während der Rede des iranischen Präsidenten.

Ahmadinedschad hatte schon im Vorfeld seines New-York-Besuchs für Protest gesorgt, als er bei einer Versammlung in Teheran erneut den Holocaust leugnete. Um das hermetisch abgesperrte UN-Gebäude gab es den ganzen Tag über Protestdemonstrationen von Menschenrechtsgruppen. In seiner von langen religiösen Ausführungen durchsetzten Rede griff Ahmadinedschad auch die USA und die Vereinten Nationen scharf an. Auf den Streit um das Atomprogramm seines Landes ging Ahmadinedschad mit keinem Wort ein. Er versicherte nur allgemein, Teheran wolle sich "konstruktiv" daran beteiligen, internationale Probleme und Herausforderungen anzugehen. Die umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahlen nannte er "glorreich und voll demokratisch".

Ohne Israel ausdrücklich zu nennen, sagte er: "Es ist nicht länger akzeptabel, dass eine kleine Minderheit die Politik, Wirtschaft und Kultur großer Teile der Welt durch ihre komplizierten Netzwerke beherrscht und eine neue Form der Sklaverei betreibt." Eine Sprecherin der deutschen UN-Botschaft sagte, die deutsche Delegation habe diese Passage als "inakzeptabel antisemitisch" empfunden und habe daher mit vielen anderen europäischen Kollegen den Saal verlassen.

Mit dpa und epd