Gewerkschaften dürfen im Arbeitskampf auch zu unangemeldeten Blitzaktionen aufrufen. Sogenannte Flashmobs (flash = Blitz; mob = Pöbel) seien nicht generell unzulässig, urteilte das Bundesarbeitsgericht (1 AZR 972/08) in Erfurt. Allerdings müsse sich der Arbeitgeber gegen derartige streikbegleitende Spontanaktionen auch wehren können - etwa durch die Ausübung seines Hausrechts oder eine kurzfristige Betriebsschließung, teilte der Erste Senat am Mittwoch mit. Die obersten Arbeitsrichter wiesen damit wie bereits die Vorinstanzen eine Klage des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg gegen die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ab.
Die Gewerkschaft hatte im Dezember 2007 während eines Streiks eine einstündige Aktion in einer Supermarktfiliale organisiert, in der Streikbrecher arbeiteten. Dabei suchten rund 40 Menschen die Filiale auf, kauften Cent-Artikel und verursachten dadurch Warteschlagen an den Kassen. Außerdem packten sie die Einkaufswagen voll und ließen diese dann stehen. Der Arbeitgeberverband wollte mit seiner Klage künftig derartige Aktionen verhindern.
Die Wahl der Methoden im Arbeitskampf gehöre zu der per Grundgesetz gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften, begründete der Erste Senat seine Entscheidung. Deren Zulässigkeit richte sich aber nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Arbeitskampfmittel seien rechtswidrig, wenn sie ungeeignet oder unangemessen seien. Entscheidend für die Beurteilung sei, ob die Arbeitgeberseite Verteidigungsmöglichkeiten gegen gewerkschaftliche Arbeitskampfmaßnahmen habe. Eine Flashmob-Aktion sei typischerweise keine Betriebsblockade. Solche Blitztreffen auf öffentlichen Plätzen werden zumeist per SMS oder über das Internet organisiert.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat dagegen das Urteil scharf kritisiert. "Ich habe keinerlei Verständnis für die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts", heißt es in einer in Berlin veröffentlichten Stellungnahme Hundts. Er sieht damit das bewährte System der Tarifverhandlungen untergraben und die Tarifautonomie gefährdet. Den Gesetzgeber forderte er auf, "durch gesetzliche Klarstellungen die Erosion der Tarifautonomie in Deutschland zu verhindern".
Hundt hält Betriebsblockaden durch Flash-mob-Aktionen "vom Streikrecht nicht gedeckt" und damit für unzulässig. Die vom Bundesarbeitsgericht vorgeschlagenen Abwehrmittel, wie die kurzfristige Betriebsschließung oder die Ausübung des Hausrechts, seien praxisfern. Die jüngste Entscheidung setze die Tendenz in der Rechtsprechung des obersten deutschen Arbeitsgerichts fort, die Grenzen des Arbeitskampfrechts weiter zu Lasten der Betriebe zu verschieben.