Sie gründete Klöster, entwickelte eine eigene Theologie und wurde von Kaisern und Königen um Rat gefragt: Hildegard von Bingen, vor mehr als 900 Jahren geboren, gehört zu den großen Frauen des Mittelalters. Berühmt wurde die Mystikerin, Äbtissin, Dichterin, Naturwissenschaftlerin, Historikerin, Ärztin und Komponistin vor allem durch ihre Gabe der "inneren Schau" und der Visionen. "Ich sehe, höre und weiß gleichzeitig", schrieb sie in einem Brief. Jetzt wurde ihr Leben verfilmt. Am Donnerstag kommt "Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen" in die deutschen Kinos.
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Hildegard wurde 1098 - das genaue Datum ist nicht bekannt - auf dem elterlichen Gut bei Alzey als zehntes und letztes Kind der adeligen Hildebert und Mechthild von Bermersheim in eine Zeit der Umbrüche hineingeboren. Von Kindheit an hatte sie Visionen. Ihre zentrale Offenbarung aber empfing sie in den mittleren Jahren: "Als ich 42 Jahre und sechs Monate alt war, da fuhr ein heftig loderndes feuriges Licht aus offenem Himmel."
In Rheinhessen verwurzelt
Trotz ihrer inwendigen Bilder und Stimmen blieb Hildegard allerdings mit beiden Beinen fest auf rheinhessischem Boden. Besonders naturkundliche und medizinische Schriften trugen ihr den Ruf der ersten deutschen Ärztin und Naturwissenschaftlerin ein. Aber auch als Theologin gehörte sie zu den großen Autorinnen der Vorscholastik.
Hildegard litt zeit ihres Lebens unter schweren Krankheiten. Gleichwohl nahm die Benediktinerin die Strapazen langer Reisen auf sich und scheute sich nicht vor der Verantwortung als Äbtissin ihrer Klöster bei Rüdesheim. Vor allem trat sie für eine umfassende Kirchenreform ein. Als "deutsche Prophetin" geißelte die Theologin viele Kirchenobere ihrer Zeit. Öffentlich warf sie ihnen Sittenverderbnis, Amtsschleicherei, Lauheit und Trägheit vor.
Dabei fürchtete die Äbtissin auch nicht den offenen Konflikt. Sie war 81 Jahre alt, als vom Mainzer Erzbischof über ihren gesamten Konvent ein Gottesdienstverbot verhängt wurde. Der Grund: Sie hatte einen jungen, aus der Kirche ausgeschlossenen Adligen auf ihrem Klosterfriedhof beerdigt. Weil sie sich weigerte, den Leichnam wieder ausgraben zu lassen, wurde das Verbot erst kurz vor ihrem Tod wieder aufgehoben.
Briefe an Papst und Kaiser
Die hochbegabte Nonne war voller Neugier auf alles, was sie umgab. Was sie lernte, sah und dachte, gab sie weiter: Sie schrieb mehr als dreihundert Briefe an den Papst, den Kaiser und andere Große ihrer Zeit. Sie predigte im Dom von Köln und von Mainz. Sie verfasste Gedichte, rund 15 Bücher und komponierte etwa 80 Musikstücke, fertigte Bauzeichnungen für ihre Klöster und leitete ein Zentrum für Handschriftenproduktion.
Seit ihrem Tod am 17. September 1179 werden ihre Reliquien in Schreinen der Pfarrkirchen zu Eibingen, zu Bingerbrück und in der Rochuskapelle bei Bingen aufbewahrt und verehrt. Lebendig bleibt sie aber vor allem in ihrem immensen Lebenswerk, das heute eine Renaissance erlebt. Besonders Menschen, die nach Orientierung suchen, lesen wieder ihre Schriften.