Obama selbst ist allerdings nicht der Ansicht, dass der Unmut von Teilen der Bevölkerung mit seiner Hautfarbe zu tun hat - das betonte erst das Weiße Haus und nun der Präsident selbst. In Zeiten großer Veränderungen fielen immer heftige Worte, sagte Obama am Wochenende dem Nachrichtensender CNN. Rassismus spiele im Streit um seine Gesundheitsreform keine entscheidende Rolle. Auch dem früheren Präsidenten Franklin Roosevelt, der von 1933 bis 1945 regierte, hätten Kritiker in scharfen politischen Auseinandersetzungen vorgeworfen, er sei Kommunist. Dieselben Worte bekomme nun er jetzt zu hören, sagte Obama.
Ins Hornissennest gestochen
Unterschwellig ist die Rassismus-Frage schon seit Wochen präsent. Voll ins Hornissennest gestochen hat Ex-Präsident Jimmy Carter (84) vergangene Woche mit der Aussage, die heftigen Animositäten gegenüber Obama fußten auf der Tatsache, dass ein schwarzer Mann im Weißen Haus regiere. Viele Weiße, "nicht nur im Süden, sondern in den ganzen USA", seien der Ansicht, dass "Afro-Amerikaner nicht qualifiziert sind, unsere große Nation zu führen", sagte Carter im Fernsehsender NBC.
Der republikanische Parteichef Michael Steele schoss tags darauf zurück. Das sei unerhört, und Obama müsse Carters Kommentar verurteilen. Die Demokraten wollten nur von ihrer "total unbeliebten" Gesundheitsreform" ablenken.
Heftig sind sie allerdings, die "Animositäten". Bei wütenden Protesten haben Gegner der Gesundheitsreform Befürworter niedergebrüllt. Obama wolle den "Sozialismus" einführen und sich zum Diktator machen. Zehntausende - fast ausschließlich weiße - Aktivisten demonstrierten vergangenes Wochenende in Washington gegen Obama. Darunter waren Gruppen, die behaupteten, Obama sei in Wirklichkeit gar nicht in den USA geboren und damit ein illegitimer Präsident.
Obama als Affe oder mit Hitler-Schnauzer
Die schwarze Kongressabgeordnete Eddie Bernice Johnson sagte im Politikmagazin Politico, viele Afro-Amerikaner seien der Ansicht, dass der extreme Zorn und die zum Ausdruck gebrachte Verachtung sich mit Obamas ethnischer Abstammung erklären lasse. Und ihr afro-amerikanischer Kollege David Scott erklärte in der "Washington Post", dass die Hautfarbe "eine Rolle spielt".
Ob sie nun von hochrangigen republikanischen Politikern gebilligt werden oder nicht: Bei Kundgebungen zur Gesundheitsreform sind "Rassenthemen" tatsächlich nicht zu übersehen. Dort gibt es Darstellungen, bei denen der Präsident aussieht wie ein Affe, es gibt Obama mit einem Hitler-Schnauzbart oder Plakate mit dem Slogan "Schickt ihn zurück nach Kenia". Besonders wüst geht es zu in konservativen Talk-Shows.
Ein Moderator in Rupert Murdochs Sender FOX schimpfte, Obama habe einen "tiefen Hass auf alle Weißen". Rush Limbaugh, der meistgehörte Talker, äußerte sich am Dienstag zu einem Vorfall in Belleville (US-Bundesstaat Illinois), bei dem ein weißer Schüler von zwei schwarzen verprügelt wurde. Das sei "Obamas Amerika", donnerte Limbaugh.
Eklat im Kongress: "Sie lügen!"
Präsident Obama hatte schon im Wahlkampf versucht, das Rasse-Thema auszuklammern und nicht als der "schwarze Kandidat" aufzutreten. Klagen über vermeintlichen oder tatsächlichen Rassismus gab es kaum. Bei der Wahl erhielt Obama 43 Prozent der weißen Stimmen - genug, mit der überwältigenden Mehrheit der schwarzen Stimmen und der Latino-Stimmen Präsident zu werden.
Nach Ansicht politischer Beobachter will das Weiße Haus auch jetzt nicht über Rassismus reden aus Sorge, die Rassisten aufzuwiegeln und gleichzeitig weiße Wähler im politischen Zentrum zu verärgern. Man weiß, dass die Gesundheitsreform selbst bei demokratischen Wählern auf Kritik stößt, und dass viele aus der Mittelschicht zutiefst verunsichert sind.
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Jimmy Carter bezog sich in seiner Analyse auch auf einen Eklat kürzlich im Kongress. Der republikanische Abgeordnete Joe Wilson aus South Carolina hatte Obamas Ansprache zur Gesundheitsrefom mit dem Ausruf "Sie lügen!" unterbrochen. Noch nie in der US-Geschichte hatte es eine solche Unhöflichkeit gegenüber dem Präsidenten gegeben. Wilson wurde vom Repräsentanenhaus gerügt. Allerdings stimmten nur sieben Republikaner für die offizielle Missbilligungsresolution. Der Hinterbänkler Wilson soll nach einem Bericht der Tageszeitung "The State" aus Columbia (South Carolina) seit seinem Ausruf mehr als 1,5 Millionen Dollar Wahlspenden erhalten haben.