Aus dem Maschinenraum (Folge 1)
Im Internet gibt es weltweit über vier Millionen Websites mit Fotos, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen. Von 2003 bis 2007 ist diese Zahl dramatisch angestiegen – sie hat sich vervierfacht. Mittlerweile ist die weltweite Kinderpornografie-Industrie zwischen drei und 20 Milliarden US-Dollar schwer, so schätzt man.
22.09.2009
Von Michael Stein

Das sind Zahlen, die die UN-Berichterstatterin für Kinderhandel, -prostitution und –pornografie, die Ärztin Najat M'jid Maala, in der letzten Woche (16.9.09) dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgelegt hat. Ihre Empfehlung: Die Staaten müssen die Daten über die Websites mit kinderpornografischen Inhalten untereinander austauschen, um die Seiten schneller sperren zu können.

Genau über dieses Thema gibt es bei uns in Deutschland nach wie vor Streit. Streitpunkt ist das mittlerweile verabschiedete "Kinderpornografiebekämpfungsgesetz". Darin wird geregelt, dass Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten gelöscht werden. Ist das nicht in absehbarer Zeit möglich, zum Beispiel weil die Server im Ausland stehen, wird der Zugriff auf diese Seiten gesperrt. Technisch funktioniert das so: Jeder Internet-Zugangsprovider (z. B. T-Online, Vodafone ...) betreibt so genannte DNS-Server, die die im Browser eingegebe Adresse einer Website (z. B. "www.evangelisch.de") in die IP-Adresse (eine Art Telefonnummer) umsetzt. Soll eine Website gesperrt werden, wird im DNS-Server die echte IP-Adresse gegen die der Sperrseite ausgetauscht. Gibt also ein Nutzer die Adresse der gesperrten Seite ein, landet er auf der Seite mit einem Stopp-Schild.

Gegner dieser Regelung befürchten den Anfang vom Ende der Meinungsfreiheit im Internet. Von Zensur, von der Bedrohung der Demokratie ist die Rede und davon, dass diese Regelung kinderleicht umgangen werden könne. Einige Kritiker empfehlen stattdessen bessere technische Verfahren, andere haben Angst davor, dass auf diese Weise zukünftig auch regierungskritische Seiten gesperrt werden könnten. Und wieder andere fordern, das Geld nicht in die Technik sondern in die Gesellschaft zu investieren.

Natürlich lassen sich die Sperren einfach umgehen. Nicht ohne Grund ist im Gesetz daher von "Zugangserschwerung" die Rede. Und die Frage, ob Technik oder Gesellschaft stellt sich eigentlich nicht – man muss das eine tun und darf das andere nicht lassen. Aber: Die Sperrung von Seiten, auf denen Straftaten dargestellt werden, werden ganz sicher all diejenigen abschrecken, die das erste Mal, durch das Anklicken eines Links oder durch Zufall auf eine solche Seite gelangt wären. Ein Signal nach dem Motto "Halt! Du tust hier etwas, das von fast allen Menschen verurteilt wird!" ist eine solche Sperrseite allemal.

Mal ganz ehrlich: Meine Meinungsfreiheit sehe durch dieses Gesetz nun wirklich nicht bedroht. Ich habe keine Angst davor, durch dieses Gesetz zu stark kontrolliert zu werden. Und ich habe auch keine Angst davor, dass die Behörden in unserem Land auf die Idee kommen könnten, Seiten zu sperren, weil sie ihnen zu unbequem sind. Wie schnell würde das wohl über Dienste wie Twitter oder entsprechende Foren im Internet bekannt werden. Meine Angst konzentriert sich da eigentlich eher auf Datenkraken wie Google, die Telekommunikationsfirmen und Online-Kaufhäuser, die allesamt nach wie vor unaufhörlich dabei sind, Daten über uns zu sammeln und auf ihren Serverfarmen zu speichern. Die tun das nämlich völlig unkontrolliert. Noch droht uns da keine unmittelbare Gefahr – was vermutlich auch der Grund ist, warum dagegen bisher nur wenige Proteste zu hören sind. Aber spätestens dann, wenn irgend eine Firma auf die Idee kommen sollte, all diese einzelnen Datensammlungen zusammenzuführen und so ein immer lückenloseres Profil über uns konstruiert, dann ist die Angst vor zu viel Kontrolle tatsächlich berechtigt.


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.