Zu einer Zukunftswerkstatt über kirchliche Reformprojekte erwartet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) rund 1.200 Teilnehmer. In Kassel werden von Donnerstag bis Samstag in einer "Galerie guter Praxis" rund 100 Beispiele innovativer kirchlicher Arbeit vorgestellt. Zu der Veranstaltung werden Bundespräsident Horst Köhler, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (beide CDU) erwartet. Nahezu alle leitenden Geistlichen aus den 22 Landeskirchen nehmen an der Werkstatt teil.
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Im Mittelpunkt der Zukunftswerkstatt stehen die Themen Qualität im Gottesdienst, einladende und missionarische Kirche sowie Führung und Leitung. "Wir werden in Kassel Beispiele guter Praxis vorstellen und auch auszeichnen", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die Zukunftswerkstatt wird also eine sehr praktische Veranstaltung, aber sie ist gleichzeitig auch ein Signal dafür, "dass 'Kirche im Aufbruch' keine schön klingende Formel, sondern inzwischen ein Stück unserer kirchlichen Realität ist", sagte Bischof Huber.
"Neue Lust am Gottesdienst"
Geistliche Impulse erwartet auch die EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr von dem Treffen. Eine wichtige Aufgabe der Kirche sei es, "neue Lust am Gottesdienst" zu wecken und Raum für religiöse Erfahrungen zu schaffen, sagte sie kurz vor Beginn der Zukunftswerkstatt im Gespräch mit evangelisch.de. Ähnlich wirbt die Hannoveraner Bischöfin Margot Käßmann für eine Rückbesinnung auf spirituelle Elemente sowie für mehr Offenheit für die Volksfrömmigkeit - und räumt ein, der Protestantismus sei lange Zeit zu kopflastig gewesen. Glaubenserfahrungen wie das Pilgern oder Meditationen habe man darüber vernachlässigt.
Die EKD-Spitze hatte vor drei Jahren angesichts sinkender Mitgliederzahlen und Einnahmen einen breit angelegten Reformprozess auf allen kirchlichen Ebenen angestoßen. Im Papier "Kirche der Freiheit", das im Sommer 2006 veröffentlicht wurde, wirbt unter anderem für eine bessere Qualität kirchlicher Angebote und für Strukturanpassungen. So schlägt der EKD-Rat vor, die Zahl der Landeskirchen bis 2030 von heute 22 auf acht bis zwölf zu senken. Im Januar 2007 wurde die durchaus kontrovers geführte Reformdebatte auf dem Zukunftskongress in Wittenberg fortgeführt. Im selben Jahr bezog die EKD-Synode Position zu den Reformbestrebungen.
Huber zieht Zwischenbilanz
In einem Grußwort erklärte der kurhessische Bischof Martin Hein, die Zukunftswerkstatt sei kein Selbstzweck, sondern wolle deutlich machen, was die Protestanten in Deutschland bewege: "Wir stellen dar, warum es gut ist, dass es uns als evangelische Kirche gibt." Hein wird am Donnerstag in dem Eröffnungsgottesdienst die Predigt halten. Anschließend will der EKD-Ratsvorsitzende eine Zwischenbilanz des Reformprozesses "Kirche im Aufbruch" ziehen. Am Freitag finden im gesamten Stadtgebiet von Kassel Andachten, Werkstätten und Foren statt. Neben Kirchen sind auch eine Bierbrauerei und die Zentrale des Dax-Konzerns K+S Veranstaltungsorte.
Petra Bahr betont im Blick auf Kassel auch den gesellschaftlichen Anspruch der evangelischen Christen in Deutschland. Gerade im Augenblick der Krise sei es wichtig, mit Zuversicht nach vorne zu blicken. "Nur wer der Zukunft vertraut, ist bereit, die Gesellschaft mitzugestalten", so die Kulturbeauftragte. Auf der Kirche ruhten dabei viele Hoffnungen und Erwartungen: "Man traut uns viel zu. Wir wollen uns die Dinge nicht aus der Hand nehmen lassen, sondern geistlich mitgestalten." Dass Bundespräsident Köhler nach Kassel kommt, sieht Bahr als besondere Geste der Wertschätzung.
Während der Zukunftswerkstatt finden zwölf Foren statt, für die prominente Schirmherren gewonnen wurden. Darunter befinden sich der frühere bayerische Ministerpräsident und stellvertretende EKD-Synodenpräses Günther Beckstein (CSU), der Historiker und designierte Präsident der Evangelischen Berliner Akademie, Paul Nolte, Bundesbildungsministerin Annette Schavan und Staatsminister Hermann Gröhe (beide CDU) sowie der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf und Ex-Familienministerin Christine Bergmann (beide SPD).
Näheres zur Zukunftswerkstatt finden Sie hier.