Zehn Verletzte bei Anschlag in Ansbacher Schule
Ein 19-Jähriger hat mit einem Brandsatz zehn Schüler eines Gymnasiums im fränkischen Ansbach verletzt. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen.

Wieder ein Amoklauf an einer Schule: Ein 18- Jähriger ist am Donnerstagmorgen im mittelfränkischen Ansbach in sein Gymnasium gestürmt und hat in einem Klassenzimmer zwei Molotow- Cocktails auf seine Mitschüler geworfen. Nach Angaben der Polizei wurden zehn Schüler verletzt, drei von ihnen schwer. Unter den Schwerverletzten ist auch der Täter, der von Polizisten angeschossen wurde. Der 18-Jährige, der in die 13. Klasse des Gymnasiums ging, wurde festgenommen. Sein Motiv sowie der genaue Hergang des Anschlags waren zunächst unklar.

"Wir haben heute hier einen Amoklauf am Carolinum-Gymnasium gehabt", sagte Einsatzleiter Udo Dreher drei Stunden nach dem ersten Notruf auf einer Pressekonferenz. Der aus Ansbach stammende 18-Jährige soll auch eine Axt mitgebracht haben. Zwei Schüler waren nach der Attacke auf ihre Klassenkameraden ins Direktorat der Schule gerannt und hatten die Schulleitung informiert. Die sofort alarmierte Polizei rückte mit einem Großaufgebot an.

Der Täter wurde zehn Minuten nach dem Anschlag um 8.45 Uhr von den Einsatzkräften überwältigt, laut Aussage eines der am Einsatz beteiligten Feuerwehrmänner mit einem Beinschuss. Er wurde in eine Klinik gebracht. Die Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl wegen versuchten Mordes. Polizisten umstellten das Gymnasium. Obwohl nicht von einem weiteren Täter ausgegangen wurde, durchsuchten Beamte die geräumte Schule. Die verletzten Schüler wurden zunächst in der Turnhalle der Schule untergebracht. Seelsorger und Psychologen betreuten auch die übrigen Kinder und Jugendlichen. "Die Schüler helfen sich gegenseitig vorbildlich", sagte Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos).

Schüler glaubten an eine Übung

Nach Angaben von Schulleiter Franz Stark trugen Lehrer die verletzten Schüler aus der Schule und überprüften, ob alle die Klassenräume verlassen hatten. Die meisten der auf den Schulhof geschickten Jugendlichen hätten zuerst an eine Übung geglaubt, berichtete Stark. "Es fällt mir schwer, dazu Stellung zu nehmen." Für Freitag wurde der Unterricht abgesagt. Die Schüler sollen aber Gelegenheit erhalten, mit Fachleuten über das Erlebte zu sprechen. Die Stadt Ansbach richtete zudem ein Seelsorgetelefon ein. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach den Angehörigen, Schülern und Lehrern sein Mitgefühl aus.

Das Carolinum mit seinen 650 Schülern ist das zweitälteste staatliche Gymnasium Bayerns. Gegründet wurde es im Jahr 1528. 1736 zog die Schule in das noch heute genutzte, charakteristische Gebäude mit seinem trutzigen Turm. Der Name "Gymnasium Carolinum Illustre" erinnert an den Ansbacher Markgrafen Carl Wilhelm.

Der Brandanschlag auf das Gymnasium Carolinum weckt Erinnerungen an andere Gewalttaten an deutschen Schulen. Erst im Mai wurde eine 16-jährige Schülerin an einem Brandanschlag auf ihr Gymnasium in Sankt Augustin bei Bonn gehindert. Mehrfach gab es Tote, wenn Jugendliche ihre Schule zum Tatort machten. Solche Taten seien oft Vorbilder für weitere Amokläufer, sagte der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann von der Technischen Universität Darmstadt im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.

Es gibt oft Warnsignale

Amokläufer wie der Gymnasiast aus dem mittelfränkischen Ansbach würden von einer «Mischung aus kalter Wut und Verzweiflung» getrieben. "Es gibt immer wieder die gleichen Muster", sagte der 40 Jahre alte Experte. Hoffmann hatte erst kürzlich eine Studie vorgestellt, in der er sich intensiv mit Amokläufern befasste.

"Wir sehen in solchen Fällen immer wieder Zurückweisungen von Mädchen und persönliche Krisen", schilderte Hoffmann. Dies führe zu einer starken Schädigung des Selbstwertgefühls. "In der Folge flüchten sich gerade Männer in eine Kriegermentalität." Vor allem die "Rolle des Rächers" sei bei ihnen "kulturell stärker verankert". Studien zeigten, dass Amokläufe selten von Frauen begangen werden.

Vor Amokläufen gebe es oft Warnsignale. "Manche äußern eine große Hoffnungslosigkeit, andere zeigen sogar ihre Waffen." Wenn Lehrer Warnsignale zu erkennen glauben, sollten sie sich professioneller Hilfe anvertrauen - etwa Krisen-Teams oder der Polizei. "In solchen Fällen brauchen wir unbedingt eine professionelle Kriseneinschätzung", sagte Hoffmann. "Die ist aber regional ganz unterschiedlich ausgeprägt - von professionell bis katastrophal."

dpa