Eine Brücke in die Zukunft des gemeinsamen Friedens
Zum ersten Mal ist ein Vertreter der deutschen Regierung zum Gedenken an die Schlacht um Arnheim eingeladen. Am 17. September 1944, vor 65 Jahren, hatte die Operation "Market Garden" begonnen, mit der die alliierte Truppen die Rheinbrücken in Holland erobern wollten. Der Besuch des deutschen Botschafters ist umstritten.

Lange ist es noch nicht her, da war ein respektvoller Satz über deutsche Soldaten in einem niederländischen Weltkriegsmuseum kaum vorstellbar. Doch im neu gestalteten Airborne Museum bei Arnheim steht dieser Ausspruch des britischen Oberfeldwebels J.C. Lord vom September 1944 groß an einer Wand: "Der Deutsche ist kein blöder Hund, sondern ein gewaltiger Kämpfer." 65 Jahre nach der erbitterten Schlacht um Arnheim - der letzten, die Hitler-Deutschland gegen die Alliierten im Westen gewann - wollen Niederländer alte Feindbilder hinter sich lassen.

Zum ersten Mal wird ein Vertreter der Bundesregierung an der Gedenkfeier für die tausenden Opfer der Schlacht um Arnheim teilnehmen, die am 17. September 1944 im Zuge der größten Luftlandungsoperation der Militärgeschichte "Market Garden" begann. Unumstritten ist die Einladung an den deutschen Botschafter in Den Haag, Thomas Läufer, freilich nicht.

Eine sensible Sache

"Das geht mir zu weit", sagt Sam Rubens. Als Zehnjähriger hat er die Kämpfe um die Rheinbrücke beobachtet. Fast seine gesamte Familie kam in deutschen Konzentrationslagern um. Heute erzählt der Arnheimer Jude fast täglich Touristen, was sich damals auf der Brücke abgespielt hat und wie seine Stadt zerstört wurde.

Keineswegs sei er gegen Aussöhnung, sagt der 75-Jährige. "Ich freue mich über jeden jungen Deutschen, der Arnheim besucht. Aber beim offiziellen Gedenken sollten hier Engländer, Polen, Kanadier und Niederländer unter sich bleiben. Wenn ein Soldat in Afghanistan fällt, laden wir auch nicht die Taliban zur Trauerfeier ein."

Arnheims Bürgermeisterin Pauline Krikke weiß, dass die erstmalige offizielle Teilnahme Deutschlands am Arnheim-Gedenken "eine außerordentlich sensible Sache" ist. Doch die Zeit sei nun reif dafür, sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Schließlich hält auch Deutschland seit Jahrzehnten die Fahne der Freiheit hoch, für die die Alliierten hier 1944 gekämpft haben."

Bevor die Bürgermeisterin die Einladung an den deutschen Botschafter abschickte, sprach sie mit etlichen Veteranen der Schlacht. "Nicht 100 Prozent, aber doch die weitaus meisten haben zugestimmt", berichtet sie. "Wenn wir uns nicht über Feindbilder hinwegsetzen, verewigen wir sie auch noch für unsere Kinder und Enkel." So lautet das neue Motto des Arnheim-Gedenkens "Eine Brücke in die Zukunft".

Keine Glorifizierung einer Seite

Das Grauen der Vergangenheit wird jedoch nicht ausgeblendet. Im völlig modernisierten und gerade wieder eröffneten Airborne Museum im Villenvorort Oosterbeek haben Historiker, Ingenieure und Künstler die Schlacht als dreidimensionale und multimediale Erfahrungswelt gestaltet. So mancher, der sich hier in die Lage eines der 35.000 alliierten Soldaten versetzt, die damals mit 4.700 Flugzeugen im Gebiet zwischen Arnheim und Nimwegen abgesetzt wurden, dürfte eine Gänsehaut bekommen - so realistisch ist die museale "Airborne Experience".

Neu ist auch, dass die kämpfenden deutschen Soldaten und ihre Befehlshaber, die im alten Luftlandungsmuseum nur als Staffage vorkamen, nun quasi auf Augenhöhe mit den Alliierten erscheinen. Vor allem aber wurde jede Glorifizierung vermieden. Und es wurde die kritische Sicht von Militärhistorikern auf die Operation "Market Garden" berücksichtigt, die für die Alliierten und Zehntausende von niederländischen Zivilisten in einem Fiasko endete.

"Zu Weihnachten ist der Krieg zu Ende", hatte der britische Feldmarschall Bernard Montgomery versprochen, der gern vor seinem amerikanischen Verbündeten und Kontrahenten General George Patton Deutschland erreichen wollte. Mit "Market Garden" sollte nach der erfolgreichen D-Day-Landung in der Normandie ein rascher Vorstoß über Maas, Waal und Niederrhein bis ins Herz der deutschen Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet ermöglicht werden.

Verheerende Folgen

Doch zu etlichen Planungspannen, Wetterproblemen und echtem Pech kam, dass Montgomery Warnungen von Niederländern vor zwei getarnten SS-Panzerdivisionen im Einsatzgebiet ignorierte. Nach der großartigen Luftlandung geriet die Operation ins Stocken. Die alles entscheidende Brücke in Arnheim erreichten am Ende nur einige Hundert heldenhaft kämpfende Briten unter Oberstleutnant John Frost, nach dem die Brücke später benannt wurde.

Der deutsche Widerstand war in Arnheim nicht zu brechen. Unter hohen Verlusten zogen sich Briten, Polen und Kanadier vom 25. September an zurück. Die Stadt wurde evakuiert und in späteren Kämpfen zu einem einzigen Trümmerfeld. Weite Teile der Hollands, von wo aus die V2-Raketen auf England abgeschossen wurden, blieben noch monatelang in deutscher Hand. Die nördlichen Niederlande durchlitten einen Hungerwinter mit Tausenden von Toten.

Doch auch für das deutsche Volk habe der militärische Sieg in Arnheim verheerende Folgen gehabt, meint Museumsdirektor Dick Schlüter. "Wären die Alliierten hier nicht aufgehalten worden, hätte Deutschland mehrere Monate früher vom Nationalsozialismus befreit werden können. Sie hätten dann vor der Roten Armee Berlin erreichen können - und die Nachkriegsordnung hätte wohl anders ausgesehen."

dpa