Buchmessen-Eklat: "Ein Eiertanz!"
Die Zeit für China als Gastland der Buchmesse ist noch nicht reif. Demokratische Spielregeln werden missachtet, die aufgeregte Debatte verstellt den Blick für das Wesentliche. Ein Kommentar.
14.09.2009
Henrik Schmitz

 

Als Kulturolympiade sieht die chinesische Regierung die diesjährige Frankfurter Buchmesse, bei der China als Gastland fungiert. Und wie schon die Olympischen Spiele in Peking 2008 will das offizielle China die Messe vor allem für PR in eigener Sache nutzen. China soll als Nabel der Literatur präsentiert werden, kritische Stimmen aus dem eigenen Land werden da nur als störend empfunden.  Das Reich der Mitte soll als Land gezeigt werden, in dem nicht nur sportliche, sondern auch literarische Höchstleistungen geboten werden – so der Plan.

 

Sollten die Veranstalter der Buchmesse geglaubt haben, China "zähmen" zu können, so war dieser Glaube naiv. Schon das Internationale Olympische Komitee konnte sich in Peking nicht mit seinen Forderungen nach Pressefreiheit durchsetzen.

 

Als "Balanceakt" war die Einladung an China als Gastland der Buchmesse bezeichnet worden. Nun ist die Buchmesse schon beim ersten Seiltanz vom Draht gefallen. Dass beim Frankfurter China-Symposium – einer Vorab-Veranstaltung zur Buchmesse  - auch kritische Stimmen, nämlich die der Umweltaktivistin Dai Qing und des Lyrikers Bei Ling, zu Wort kommen sollten, passte den chinesischen Offiziellen gar nicht. Und so wurden die Aktivisten erst aus- und dann wieder eingeladen. Als sie in Frankfurt das Wort ergriffen, verließ die chinesische Delegation den Saal und kam erst wieder, nachdem sich Buchmesse-Chef Juergen Boos dafür entschuldigt hatte, den verabredeten Ablauf der Veranstaltung eigenmächtig geändert zu haben. Es war ein Eiertanz. 

 

Zielkonflikt

 

 

Boos leidet unter einem Zielkonflikt. Einerseits hält die Buchbranche moralische Standards hoch und mahnt Menschenrechte in China an, auf der anderen Seite geht es aber auch darum, Bücher zu verkaufen. Ein kleiner Eklat sorgt da für PR und Interesse beim Publikum. Das Symposium in Frankfurt hatte 300 Teilnehmer, in den vergangenen Jahren waren es jeweils nur etwa 150.

 

Und doch hat die Buchmesse die falsche Entscheidung getroffen. Ein Land, das den internationalen Schriftstellerverband PEN nicht anerkennt, taugt per se nicht als Gastland einer Buchmesse. Und auch dass in China kritische Autoren nicht verlegt werden oder sogar im Gefängnis sitzen, müsste Grund genug sein, China bei einer Buchmesse nicht die Gelegenheit breiter Eigen-PR zu geben.

 

Übrigens auch deshalb nicht, weil die Frage der Menschenrechte nun überdeckt, was es an Literatur in China durchaus zu entdecken gäbe. Der Eklat lässt - zu Recht - keinen Raum für Zwischentöne. Er verhindert, dass sachlich über die Frage diskutiert wird, wie eine Demokratie in einem Land aussehen kann, die 1,3 Milliarden Menschen zählt und in dem es momentan auch darum geht, diese Menschen satt zu kriegen. Und natürlich ist auch die Frage spannend, ob deutsche Medien China quasi als Feindbild nutzen und letztlich kein realistisches Bild von dem Land zeichnen. Umgekehrt ist auch die Frage interessant, welches Bild China von Deutschland zeichnet.

Harald Müller von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung wies nicht zu Unrecht darauf hin, dass jedes Land das Recht habe, seinen eigenen Entwicklungsweg zu wählen. Allerdings hat auch die Buchmesse das Recht, sich sein Gastland selbst auszuwählen. Die Wahl Chinas war keine kluge.