Als letzte Chance für Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) galt das TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend. Angreifen müsse er, um wenigstens noch ein paar Wähler für die Sozialdemokraten zu mobilisieren, hieß es in den Kommentaren verschiedener Zeitungen. Und so richteten sich die rund 14,3 Millionen Zuschauer, die das Duell bei ARD, ZDF, RTL und Sat.1 zeitgleich verfolgen konnten, wohl auf einen spannenden Abend ein.
So rechte Spannung wollte dann aber doch nicht aufkommen, was zunächst nicht unbedingt an Kanzlerin und Vize-Kanzler lag, sondern an den vier Moderatoren: Maybrit Illner (ZDF), Peter Klöppel (RTL), Peter Limbourg (Sat.1) und Frank Plasberg (ARD). Sie spulten streng nach Proporz ihre Fragen ab, und es wunderte beinahe, dass nur die Redeanteile von Merkel und Steinmeier sekundengenau gemessen und gelegentlich eingeblendet wurden und nicht auch die der vier Journalisten. Von Moderieren konnte keine Rede sein. Frank Plasberg war über weite Strecken des Duells der Einzige, der nachhakte, wenn Merkel und Steinmeier sich beharrlich weigerten, auf die gestellten Fragen zu antworten. Gleichzeitig wirkte Plasberg ("Hart aber fair") aber deutlich übermotiviert und nervte mit seinen Zwischenkommentaren.
Koch und Kellner
Dass Merkel und Steinmeier nicht unbedingt gewillt waren, Fragen zu beantworten, zeigte sich schon nach den ersten fünf Minuten des Duells. Leicht patzig bemerkte die Kanzlerin an einer Stelle sogar, sie beantworte die Fragen so, wie sie es sich vorgenommen habe. Und das bedeutete in ihrem Fall vor allem: präsidial. Merkel lobte die Errungenschaften der Großen Koalition (Abbau der Arbeitslosigkeit, Rettung von Opel, Reaktion in der Finanzkrise) und erlaubte sich beinahe keine Seitenhiebe auf die SPD oder deren Kanzlerkandidaten Steinmeier. Mit der Bemerkung, die große Koalition habe unter ihrer Führung gut gearbeitet, machte Merkel gleichsam klar, wer in den vergangenen vier Jahren Koch und wer Kellner war.
Deutlich mehr Attacke ritt Frank-Walter Steinmeier, was ihm vor allem in der ersten Hälfte des Duells gut gelang. Bei der Debatte um Mindestlöhne verwies er geschickt auf die Regelungen in Frankreich und Großbritannien, wo eben kein Arbeitsplatzverlust stattgefunden habe. Während Merkel beim Thema Atomkraft den Begriff "Brückentechnologie" bemühen musste, sprach sich der SPD-Kandidat für den bereits beschlossenen Atomausstieg aus. Und beim Thema Opel bemerkte Steinmeier, der Autobauer wäre heute "mausetot", hätten CDU und FDP im Januar die Regierung gestellt. Einen echten Konter setzte der Außenminister gar, als Merkel für Steuersenkungen warb, weil diese Wachstum generierten, was wiederum zu mehr Steuereinnahmen führen werde. Für die von CDU und FDP geplanten Steuersenkungen bräuchte man pro Jahr ein Wachstum von neun Prozent, rechnete Steinmeier Merkel vor: "Das hat es in Deutschland nie gegeben und das wird es auch nie geben."
So sehr Steinmeier zu Beginn der Debatte auftrumpfte, so wenig schaffte er es aber, im weiteren Verlauf zu punkten. Als Moderator Plasberg den Namen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erwähnte, unterlief Steinmeier sogar ein kleiner Fauxpas. Ohne direkt danach gefragt worden zu sein, sprach der Außenminister auf einmal von der Dienstwagenaffäre und machte dabei keinen souveränen Eindruck. Auch bei den Themen Linkspartei und Afghanistan geriet er in die Defensive, während Merkel weiter die Politik unter ihrer Führung loben konnte. Direkte Punkte gegen Steinmeier setzte sie dabei allerdings auch nicht. Warum Guido Westerwelle vom Wunschpartner FDP ein besserer Außenminister sein würde als Steinmeier, mochte sie jedenfalls nicht erklären. Und so drängte sich tatsächlich der Eindruck auf, dass sie sehr gut auch weiter mit der SPD regieren könnte.
Insgesamt unpersönlich
Erstaunlich war, dass das Duell insgesamt wenig persönlich war. Weder machte Steinmeier seiner Frau Elke eine Liebeserklärung wie einst Kanzler Gerhard Schröder (SPD) seiner Doris, noch ließ sich Merkel dazu hinreißen, ihren Mann Joachim Sauer zu erwähnen. Ebenso verzichteten die Kontrahenten darauf, von Begegnungen mit Menschen im Wahlkampf zu berichten, um an deren Beispielen aktuelle Probleme zu verdeutlichen. Auch fehlten Bekenntnisse der beiden Protestanten zu ihren christlichen Wurzeln. Einzig beim Thema Managergehälter, die beide begrenzen möchten, warben beide für eine neue Wirtschaftsethik. Viel mehr Wertedebatte war dann aber nicht drin.
Die Erkenntnisse für das Publikum blieben gering. Merkel wirkte insgesamt präsidialer und schwebte etwas mehr über den Dingen. Erste Umfragen attestierten dem Duell aber ein Patt mit leichten Vorteilen für Steinmeier. Letztlich könnte die Harmonie zwischen den beiden aber auch dazu führen, dass die Wähler sich nun erst recht für die sogenannten kleineren Parteien entscheiden.