Im Kultur- und Theaterprojekt CRIA in Salvador da Bahia, ist die Probe für das neue Stück gerade vorbei. Die Koordinatorin, Eleonora Rabello, verabschiedet ihre jungen Schützlinge. Das Freizeitangebot im historischen Teil der WM-Stadt ist bei den Kindern und Jugendlichen beliebt – manchen nehmen einen Heimweg von zwei Stunden auf sich, um an Proben und Aufführungen teilnehmen zu können. Die Fußball-Weltmeisterschaft macht die Sache nicht besser, erklärt die Jugendarbeiterin: "Wir von CRIA arbeiten für den Schutz der Kinder und Jugendlichen, und wir haben eine große Sorge: Bei der Vorbereitung auf die WM hat dieses Land nicht an die Kinder und Jugendlichen gedacht.“
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Das Großereignis bringt vieles im Alltag durcheinander – vor allem in den WM-Spielorten: Gesperrte Straßen, Verkaufsverbote für die Straßenhändler, deutlich mehr Polizeikontrollen. Das Team von CRIA, Projektpartner des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt, blickt mit Sorge auf ganz andere Einschränkungen. Eleonora Rabello sagt: "Die WM ist ein Ereignis, das den ganzen Zeitplan ändert, einschließlich des Schulkalenders.“ Niemand hätte sich Gedanken darüber gemacht, dass Kinder und Jugendliche darunter leiden.
Dass die WM das Schuljahr um einige Tage verkürzt, scheint vor allem für alle fatal, die eine der öffentlichen Schulen besuchen: Sie haben einen schlechten Ruf – Eltern, die es sich leisten können, schicken ihren Nachwuchs auf eine Privatschule. Das gilt, vor allem in der aufstrebenden Mittelschicht, als gute Grundlage für ein Leben im Wohlstand. Unterrichtsausfall macht die Sache für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler nicht besser.
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In vielen ärmeren Stadtteilen gibt es nur wenige oder überhaupt keine öffentlichen Angebote für die Jüngsten. Gerade in ärmeren Kommunen fehlen Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung. Auch das erklärt, warum die Kinder und Jugendlichen die teils langen Wege zu Projekten wie CRIA auf sich nehmen: Es gibt keine Angebote, die näher liegen.
Dabei könnte der Staat mehr auf die Beine stellen, beklagt Eleonora Rabello: "Wir wissen, dass der öffentlichen Hand viel Geld zur Verfügung steht und dass ein Großteil dieses Geldes für die großen Stadien verwendet wird.“ Das entspräche nicht dem Wunsch der gesamten Bevölkerung – nicht alle mögen Fußball. Wichtiger sei anderes: "Wir haben große strukturelle und soziale Probleme. Die hätten bearbeitet werden müssen, bevor man dieses Event ausrichtet.“
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Schulen, Krankenhäuser, Nahverkehr, Menschenrechte: Wer mit sozial Engagierten wie Eleonora Rabello über die Weltmeisterschaft spricht, landet früher oder später bei diesen Themen. Die großen, teuren Stadien, die neuen Straßen, die Polizeipräsenz – das hinterlässt bei der Jugendarbeiterin einen bitteren Beigeschmack. Gastfreundlich will sie sein, aber sie lässt auch keinen Zweifel daran, wer am Ende die Zeche zahlt. Eleonora Rabello: "Vergessen Sie nicht, dass Sie in ein Land kommen, das viele Probleme hat – auch wenn es für die WM eine Infrastruktur geschaffen hat, eine künstliche, nur für dieses Event.“