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TV-Tipp des Tages: "Kaddisch für einen Freund" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Kaddisch für einen Freund", 10. Juli, 22.45 Uhr im Ersten
Das großartig gespielte Drama "Kaddisch für einen Freund" erzählt von solch einer Freundschaft zwischen einem jungen Palästinenser und einem alten Juden; aber nicht in Israel, sondern in Berlin-Kreuzberg.

Es gibt eine Vielzahl wunderbarer Filme über Beziehungen, die alle Vorurteile überwinden und vermeintlich unversöhnliche Feinde zu Freunden werden lassen. Das großartig gespielte Drama "Kaddisch für einen Freund" erzählt von solch einer Freundschaft zwischen einem jungen Palästinenser und einem alten Juden; aber nicht in Israel, sondern in Berlin-Kreuzberg.

Die Geschichte beginnt ganz banal mit einer undichten Waschmaschine: Als der 14jährige Ali und seine aus dem Libanon stammende Familie endlich das Asylbewerberheim verlassen dürfen und in eine Kreuzberger Wohnung ziehen, tropft Wasser durch die Decke. Im Stockwerk über ihnen wohnt ein uralter jüdischer Exilrusse. Die jungen Araber betrachten die Gegend als ihr Viertel, sie empfinden schon allein die Anwesenheit des Juden als Provokation. Ali will nur zu gern Mitglied dieser Clique werden. Als die Jungs die Wohnung des alten Alexander verwüsten, ist Ali zwar dabei, aber mit gemischten Gefühlen: Sein Vater ist ein fanatischer Judenhasser, auch für den Jungen sind alle Juden Verbrecher, aber das Unrecht der Tat ist ihm klar. Trotzdem muss er den Kopf hinhalten, denn er ist der einzige, den der Nachbar erkannt hat. Nun droht ihm ein Verfahren und damit der gesamten Familie die Abschiebung; und ausgerechnet Alexander ist der einzige, der ihm helfen kann.

Freundschaft unter widrigen Umständen

"Kaddisch für einen Freund", das Langfilmdebüt von Leo Khasin (Buch und Regie), ist ein märchenhaft schöner Film über eine Freundschaft, die sich unter widrigsten Bedingungen entwickelt. Nicht nur die Religion, auch Herkunft und Alter trennen die beiden Protagonisten. Die biografischen Details lässt Khasin allerdings angenehm beiläufig einfließen; erst ganz zum Schluss wird deutlich, wie weit Alexander über seinen Schatten springen musste, um der Bitte von Alis Mutter zu entsprechen und dem Jungen die Chance zu geben, das Chaos zu beseitigen. Allerdings profitiert der Alte gleichfalls davon, denn schon vor dem Vandalismus der Jugendlichen war die Wohnung ziemlich heruntergekommen, und wenn sie nicht binnen zwei Wochen renoviert ist, muss Alexander in ein Altenheim.

Dass sich der Wandel durch Annäherung überaus glaubwürdig und trotzdem eher unterschwellig vollzieht, liegt neben dem Handlungsreichtum der Geschichte an den beiden Hauptdarstellern: Der hierzulande durch "Am Ende kommen Touristen" bekannt gewordene Pole Ryszard Ronczewski agiert ähnlich überzeugend wie der darstellerisch praktisch unerfahrene junge Neil Belakhdar, der bis dahin nur in einem Kurzfilm mitgewirkt hatte. Khasin, gebürtiger Moskauer, der mit acht Jahren nach Deutschland gekommen ist, inszeniert den Film weitgehend unauffällig, aber mit großer Zuneigung zu seinen Hauptfiguren, die beide hin und hergerissen sind zwischen Stolz und Vorurteil. Das gilt naturgemäß gerade für den Jungen, dem die Freundschaft mit Alexander bei seiner Identitätsfindung ganz neue Horizonte erschließt, so dass er schließlich sogar tollkühn den unsympathischen Wortführer der Clique herausfordert, als der ein Mädchen belästigt.

Ohnehin beeindruckt das auf warmherzige Weise humorvolle Debüt durch eine formidable Führung sämtlicher Schauspieler, die bis auf einige Nebendarsteller in dramaturgisch allerdings wichtigen Rollen (Erhan Emre, Kida Khodr Ramadan, Heinz W. Krückeberg, Anna Böttcher, Fritz Roth) ausnahmslos unbekannt sind.

Trotzdem lebt vor allem vom Facettenreichtum der Figuren sowie von der schönen Geschichte, selbst wenn sich die Ereignisse am Ende etwas unnötig dramatisch zuspitzen. Der Film ist bei vielen internationalen Festivalteilnahmen buchstäblich dutzendfach ausgezeichnet worden. Die wichtigste Ehrung war ohne Frage der Deutsche Filmpreis in der Kategorie Bester programmfüllender Kinderfilm; umso absurder, dass die ARD das Werk im Rahmen der Reihe "Filmdebüt im Ersten" erst um 22.45 Uhr ausstrahlt.