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TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Abwärts" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Abwärts", 6. Juli, 20.15 Uhr im Ersten
Bei der Reinigung eines Straßenbahnwagens wird ein zu Tode geprügelter junger Mann entdeckt. Seine Freunde berichten von einem Handgemenge mit einem Jugendlichen. Später stellt sich raus, dass es dabei um einen Laptop mit einer brisanten Software ging.

Bereits mit dem zweiten Film ist das Duo aus Magdeburg im Krimialltag angekommen. Dabei war der Einstand des Teams im Oktober 2013 ("Der verlorene Sohn") gleich aus mehreren Gründen sehenswert. Vor allem die von den Gebrüdern Friedemann und Christoph Fromm konzipierte weibliche Hauptfigur sorgte für neue Akzente am Sonntagabend: Doreen Brasch  (Claudia Michelsen) macht bei Kerlen kurzen Prozess, musste zum Auftakt allerdings gegen den eigenen Neonazi-Sohn ermitteln. Der zweite Fall für Brasch und ihren nicht minder eigenwilligen Kollegen Drexler (Sylvester Groth) ist in jeder Hinsicht eine Nummer kleiner. Einerseits zeigt Nils Willbrandt (Buch und Regie) andere Seiten der Hauptkommissarin auf, was durchaus reizvoll ist, weil die Ermittlerin diesmal vergleichsweise sanft und überraschend moralisch agiert; andererseits gaben ihre handgreiflichen Eskapaden dem ersten Film natürlich auch eine gewisse Würze.

Brisante Software

Im Gegensatz etwa zum "Polizeiruf" des NDR oder zum WDR-"Tatort" aus Dortmund hat der MDR bei seinem "Polizeiruf" auf eine horizontale Erzählebene verzichtet. Braschs Sohn taucht zu Beginn kurz auf, damit es wenigstens eine kleine Anknüpfung an den Auftakt gibt, aber davon abgesehen erzählt Willbrandt mit "Abwärts" eine völlig autarke Geschichte, die zudem weit weniger Brisanz hat als das Drehbuch der Fromms: Bei der Reinigung eines Straßenbahnwagens wird ein zu Tode geprügelter junger Mann entdeckt. Seine Freunde berichten von einem Handgemenge mit einem Jugendlichen. Später stellt sich raus, dass es dabei um einen Laptop mit einer brisanten Software ging, eine Automafia kommt auch noch ins Spiel, doch ihren Reiz bezieht die Geschichte letztlich aus einer Personalie: Der Tote hat ein dickes Vorstrafenregister, schien aber dank des Engagements seines Sozialarbeiters, Peter Ruhler (Peter Jordan), auf einem guten Weg. Ruhler war allerdings ebenfalls am Tatort; und er ist ein guter Freund von Drexler.

Da die im ersten Film noch so widersprüchlichen Persönlichkeiten des Ermittlerduos nicht mehr im Mittelpunkt stehen, wird der Streetworker zur zentralen Figur, zumal sich Willbrandt eine facettenreiche Biografie für ihn ausgedacht hat: Der Mann ist Kampfsportler und war vor Jahren mit der Bundeswehr im Kosovo, hat aber nach einem Unfall den Dienst quittiert. Erst spät offenbar der Film, was es mit den verfremdeten Bildern auf sich hat, mit denen der Film beginnt. Gemessen etwa am Vorgesetzten des von Mehmet Kurtulus gespielten verdeckten Ermittlers im früheren "Tatort" aus Hamburg ist der Sozialarbeiter für Peter Jordan eine ausgesprochen ungewöhnliche Rolle. Je stärker die Physis des athletischen Mannes im Verlauf der Handlung zerstört wird, desto mehr verlagert sich der Krieg in seine Seele.

Da diese Verschlossenheit auch für Brasch und Drexler gilt, bietet die Geschichte kaum emotionale Anknüpfungspunkte. "Abwärts" ist ohnehin alles andere als gefällig. Die Welt dieses Films ist nicht zuletzt aufgrund der eruptiven Gewalt und der zerrütteten Familienverhältnisse kein schöner Ort, die Stimmung auch zwischen den Polizisten ist von latenter Aggressivität geprägt, die Atmosphäre ist ausgesprochen kühl, und das liegt nicht allein am verschneiten Magdeburg; selbst wenn der MDR gegen das ungeschriebene Gesetz verstößt, im Sommer keine Winterfilme zu zeigen.