Foto: epd/Rüdiger Niemz
Nikolaus Schneider und seine Frau Anne auf dem Roten Sofa der Kirchenpresse, beim 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden.
Nach Schneider-Rücktritt: EKD braucht neue Führung für 2017
Wer immer auf Nikolaus Schneider nach dessen Rücktritt vom EKD-Ratsvorsitz folgt - es wartet eine riesige Aufgabe. Für das 500. Reformationsjubiläum in drei Jahren müssen die Weichen gestellt werden.
30.06.2014
epd
Thomas Schiller

Die Ankündigung des Rücktritts kam völlig überraschend. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, gibt im November sein Amt auf, ein Jahr früher als geplant. Die Diskussion darüber, wer die Protestanten 2017 ins Reformationsjubiläum führt, dürfte sich nun beschleunigen.

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Noch am Mittwoch vergangener Woche hatte der höchste Repräsentant der mehr als 23 Millionen deutschen Protestanten vor rund 800 geladenen Gästen beim EKD-Jahresempfang in Berlin gesprochen und anschließend eine ganze Reihe von Gremiensitzungen absolviert. Doch weil bei seiner Frau Anne eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde, will der 66-Jährige noch in diesem Jahr den Ratsvorsitz niederlegen und aus dem Rat der EKD ausscheiden.

Nikolaus Schneider legt ein Amt nieder, das er nie angestrebt hat. Aber als seine Vorgängerin Margot Käßmann in Folge einer Alkoholfahrt überraschend vom Ratsvorsitz zurücktrat, war Schneider ihr Vertreter. Ab Februar 2010 zunächst kommissarisch und vom November darauf auch gewählt, folgte er in das hohe EKD-Amt, das bis Ende 2009 der Berliner Bischof Wolfgang Huber maßgeblich geprägt hatte. Mit der EKD-Reform "Kirche der Freiheit" sollten die Protestanten gegen den Trend wachsen.

Kompromissbereit und verantwortungsbewusst

Dem leitungs- und kompromisserfahrenen rheinischen Präses Schneider traute die Synode zu, das ambitionierte Programm der Huber-Ära in eine praktikable Zukunft zu führen. Schon damals stand am Horizont das Reformationsjubiläum 2017, der 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers - für die EKD das größte Ereignis über Jahrzehnte.

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Wo Luther noch katholischer Mönch war, im Erfurter Augustinerkloster, zelebrierte Schneider beim Deutschland-Besuch des Papstes im September 2011 gemeinsam mit Benedikt XVI. einen Gottesdienst - sicherlich ein Höhepunkt seiner Amtszeit. Von dem historischen Treffen hatten die Protestanten freilich deutlichere ökumenische Signale erwartet. Doch wie die römische Kirche denkt, hatte Schneider als Pfarrer und Präses im katholisch geprägten Rheinland schon kennengelernt.

Aufgewachsen in einer kirchenfernen Arbeiterfamilie in Duisburg, hatte Schneider den Weg zum Theologen eingeschlagen und im Studium seine ein Jahr jüngere Frau Anne kennengelernt. Sie ist zugleich seine engste Beraterin. In 44 Ehejahren sind die Schneiders in allen Höhen und Tiefen verbunden, 2005 starb ihre jüngste Tochter Meike an Leukämie. Das Ehepaar ging damit offen um und verarbeitete das Trauma in einem Buch. Weitere gemeinsame Bücher folgten.

Ein offenes Pfarrhaus pflegte das Paar schon in der Kirchengemeinde in Duisburg-Rheinhausen, als Schneider sich in der Zeit der Hüttenschließungen an die Seite der Arbeiter stellte. Anschließend war er Diakoniepfarrer in Moers. Sozialer Fortschritt ist für ihn stets eine Herzenssache geblieben, die klare Sprache des Ruhrgebiets sein Markenzeichen.

Allerdings unterschätzte Schneider im vergangenen Jahr die Reaktionen auf das umstrittene Familienpapier der EKD, in dem sie sich unter anderem für mehr Anerkennung von Patchworkfamilien und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften starkmacht. Die Kritiker, denen das Leitbild der Ehe deutlich zu kurz kam, meldeten sich aus allen Lagern der EKD zu Wort, egal ob aus dem Norden oder Süden, ob lutherischen oder unierten Bekenntnisses.

Generationenwechsel an der EKD-Spitze möglich

Auch die Frage der inner-evangelischen Konfessionen wird bei der Nachfolge eine Rolle spielen. Denn abgesehen vom viermonatigen Käßmann-Intermezzo kamen alle fünf Ratsvorsitzenden seit 1985 aus unierten Kirchen. Ein Lutheraner wäre überfällig. Schneiders Stellvertreter Jochen Bohl (64) ist Bischof im lutherischen Sachsen. Ihn für das verbleibende Jahr der 2015 endenden sechsjährigen Wahlperiode in das Amt zu berufen, ist die naheliegende Lösung.

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Möglich ist aber auch, dass die Synode schon in diesem Herbst einen Generationenwechsel einläutet. Von den 2009 gewählten Bischöfen ist nur noch Bohl aktiv. Ulrich Fischer aus Baden und der reformierte Jann Schmidt sind bereits im Ruhestand, für Bayerns Altbischof Johannes Friedrich ist bereits sein Nachfolger Heinrich-Bedford Strohm (54) in den Rat nachgerückt. Dem Huber-Schüler werden gute Chancen eingeräumt, nächster Vorsitzender zu werden. Als mögliche weitere Kandidaten werden auch Hannovers Bischof Ralf Meister (52) genannt und der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, Volker Jung (54), der allerdings eine unierte Landeskirche leitet. Beide müssten jedoch zunächst in den Rat gewählt werden.

Schneider-Nachfolge wird im November geklärt

Einen Nachfolger für Schneider will die evangelische Kirche bei ihrer Jahrestagung in Dresden bestimmen, die vom 9. bis 12. November stattfindet. Schneider will nicht nur den Vorsitz niederlegen, sondern ganz aus dem 15 Mitglieder zählenden EKD-Rat ausscheiden. Der in Dresden Gewählte bliebe vorläufig ein Jahr im Amt, bis Ende 2015 ein neuer Rat gewählt wird.

Schneiders Stellvertreter, der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, kündigte an, dass Ratsmitglieder ab sofort in Vertretung des Vorsitzenden Termine übernehmen werden. Bohl dankte Schneider für seine "Bereitschaft, mit uns in den kommenden Monaten einen geordneten Wechsel im Amt des Ratsvorsitzenden vorzubereiten". Zugleich wünschte er dem Ehepaar "viel Kraft auf dem vor ihnen liegenden Weg". EKD-Synodenpräses Irmgard Schwaetzer sagte: "Unsere Gedanken und Gebete begleiten Anne und Nikolaus Schneider in der kommenden Zeit."

Die großen Planungen für 2017 setzen die EKD unter Druck - eine Weltausstellung der Reformation soll in Wittenberg organisiert werden, ein Kirchentag mit großem Abschlussgottesdienst an der Elbe steht an. Auf den Rat und seinen künftigen Vorsitzenden kommen in den nächsten drei Jahren viele Entscheidungen zu.