Foto: epd-bil/Barbara Boensch
Die älteste Jugendherberge der Welt, hoch oben über der Lenne im Sauerland: Die Burg Altena.
Burg Altena - die älteste Jugendherberge der Welt
Als der Lehrer Richard Schirrmann 1909 bei einer Wanderung in einer Schule Schutz vor einem Unwetter fand, reifte die Idee von Unterkünften für junge Wanderer. Vor 100 Jahren wurde die weltweit erste Jugendherberge in Altena eröffnet.
29.06.2014
epd
Dierk Hartleb

Der Jugendherbergsgründer Richard Schirrmann (1874-1961) war offenbar ein praktisch denkender Mensch: Die Fußenden der doppelstöckigen Betten aus massiver Eiche lassen sich umklappen, um das Bettenmachen zu erleichtern. Die Räume sind mit kleinen Handwaschbecken ausgestattet. Der ursprüngliche Vorhang, der den Mädchen- vom Jungenbereich trennte und später durch eine Mauer ersetzt wurde, erlaubte dem Volksschullehrer, der seine Schlafstatt zwischen beiden Gruppen aufschlug, eine ruhigere Nacht.

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Heute lädt die von Schirrmann im Jahr 1914 eröffnete Jugendherberge auf der Burg im nordrhein-westfälischen Altena als Museum zu einer Zeitreise ein. Die Betten, der Boden aus massiven Eichenbohlen - alles wirkt so, als wären die übernachtenden Schülergruppen gerade zum Wandern aufgebrochen. Tatsächlich war die Unterkunft noch bis 1958 in Betrieb. Mussten die Übernachtungsgäste damals noch den Aufstieg zur Burg schweißtreibend bewältigen, so können heute Besucher mit einem im April eröffneten Erlebnisaufzug bequem und barrierefrei die Burg erreichen.

Der Gedanke, der inzwischen zu einem dicht gespannten Netz von Jugendherbergen über die ganze Bundesrepublik geführt hat, ist so praktisch wie genial: "Jede Stadt und fast jedes Dorf hat ihre Volksschule, die in den Ferien mit leeren Räumen geradezu darauf wartet, in einen Schlaf- und Speisesaal für wanderlustige Kinderscharen verwandelt zu werden", hatte der weitsichtige Lehrer aus Altena erkannt. Damit ließ sich mit einem Schlag ein Herbergsnetz aufbauen, dass Schülern jeweils mit Abstand einer Tageswanderung preiswerte Übernachtungen bieten sollte.

Die Idee: Klassenräume in den Ferien nutzen

Die Idee dazu kam dem Volksschullehrer, als er im August des Jahres 1909 auf einer Wanderung von Altena nach Aachen im Bröltal in ein schweres Gewitter kam. Die Bauern, bei denen er um Quartier bat, hatten abgelehnt. Schutz und Unterkunft fand er schließlich in der Schule in Bröl bei Hennef. Bis dann die erste Jugendherberge ihre Tore öffnen konnte, vergingen fünf Jahre. So stellte es sich in der Praxis doch etwas schwieriger heraus, die Klassenräume für eine Jugendunterkunft umzufunktionieren, erst recht in der normalen Schulzeit.

Für die Gründung der ersten Schülerherbergen hatte Schirrmann mit dem mittelständischen Siegerländer Unternehmer Wilhelm Münker und dem damaligen preußischen Landrat Fritz Thomée mächtige Verbündete an seiner Seite. Auch der Essener Stadtsekretär Julius Schult zählte als Mäzen zu den wichtigen Unterstützern.

Der Lehrer hatte für seine "Volksschülerherbergen" vor allem die Kinder als Klientel im Blick. Denn für die älteren Jugendlichen gab es bereits Übernachtungsstätten.

Wandern ist mittlerweile out

1969 wurde mit über 700 Jugendherbergen eine erste Rekordzahl in der Geschichte der Jugendherbergen erreicht. Heute bieten unter dem Dach des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) mehr als 500 Herbergen mehr als 75.000 Betten an. Pro Jahr zählen sie mehr als zehn Millionen Gäste. Der Großteil mit fast 40 Prozent sind Klassenfahrten, danach folgen Familien (19 Prozent) und Seminargruppen (14 Prozent).

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Die Herbergen sind schon lange nicht mehr nur Stationen für Wandergruppen. Das Herbergswerk bietet heute umfangreiche Bildungs-, Sport - und Kulturprogramme. Zum Angebot gehören auch internationale Jugendbegegnungen. Profiliert haben sich die Herbergen des DJH auf den Gebieten der Nachhaltigkeit und Ökologie.

Das gemeinnützigen Jugendherbergswerk versteht sich zudem als Förderer der Zivilgesellschaft. Rund 1.000 Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich. Die Idee der Jugendherberge sei auch nach 100 Jahren attraktiv, ist der Hauptgeschäftsführer des Jugendherbergswerkes, Bernd Dohn, überzeugt.