Die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts erlebte sie nicht mehr. Kurz bevor der Erste Weltkrieg begann, starb Bertha von Suttner am 21. Juni 1914 in Wien. Hinter ihr lag ein bewegtes Leben als erfolgreiche Schriftstellerin, Journalistin und Friedensaktivistin. Unermüdlich hatte die österreichische Pazifistin vor der Zerstörungskraft moderner Waffentechnik gewarnt und sich für Frieden und Verständigung zwischen den Völkern eingesetzt. Als erste Frau erhielt sie 1905 den Friedensnobelpreis.
###mehr-info###
Ihr 1889 erschienener Antikriegsroman "Die Waffen nieder!" macht Bertha von Suttner, geboren am 9. Juni 1843 in Prag, weltberühmt. Die Autorin will einem breiten Publikum schonungslos die Schrecken des Krieges vermitteln. Sie trifft damit den Nerv der Zeit, das Buch wird international ein großer Erfolg. Die Frage von Krieg und Frieden wird zu ihrem Lebensthema. "Nicht ich bin auf die Idee, sondern die Idee ist über mich gekommen", erinnert sie sich später.
Europa ist in dieser Zeit von Nationalismus und Militarismus geprägt. Zugleich wächst aber auch die Kriegsangst, in mehreren Ländern formiert sich eine Friedensbewegung. Bertha von Suttner engagiert sich begeistert und tatkräftig in dieser neuen Bewegung. Sie steht in Verbindung mit anderen Kriegsgegnern wie dem schwedischen Industriellen und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896), den sie 1876 in Paris kennengelernt hat. Zusammen mit ihm entwickelt sie die Idee eines Friedenspreises, der später von Nobel gestiftet wird.
Heimliche Heirat
Bertha von Suttner, die einem böhmischen Adelsgeschlecht entstammt, ist eine kluge und belesene Frau, zudem selbstbewusst, energisch und abenteuerlustig. Sie bildet sich stetig weiter und erweitert ihren Horizont, reist viel und versteht sich als Weltbürgerin. Seit ihrer Jugend beherrscht sie Französisch, Italienisch und Englisch perfekt. Beeinflusst von der Evolutionstheorie Darwins, glaubt sie an den Fortschritt und die Höherentwicklung der Menschheit.
Ihr Lebensweg verläuft nicht eben typisch für eine Frau ihrer Herkunft im 19. Jahrhundert. Mit 33 Jahren heiratet sie den sieben Jahre jüngeren Arthur Gundaccar von Suttner, Spross einer reichen Wiener Familie. Nach der heimlichen Eheschließung gegen den Willen von Arthurs Familie verbringt das Ehepaar neun Jahre im Kaukasus. Dort beginnt Bertha von Suttner zu schreiben: Zeitungsbeiträge, Liebesgeschichten, philosophische Texte, ihren ersten Roman. Trotz ihrer aristokratischen Herkunft muss sie zeitlebens für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Immer wieder werden sie und ihr Mann von Geldsorgen geplagt.
Nach der Rückkehr nach Österreich 1885 setzt Bertha von Suttner ihre schriftstellerische Tätigkeit fort. Zugleich wendet sie sich immer stärker dem Aufbau der Friedensbewegung zu. 1891 ruft sie zur Gründung der Österreichischen Gesellschaft der Friedensfreunde auf und wird deren Präsidentin. Im gleichen Jahr wird sie zur Vizepräsidentin des neu gegründeten Zentralbüros der Friedensgesellschaften in Bern gewählt. Auch die Gründung der Deutschen Friedensgesellschaft 1892 unterstützt sie.
Mit dem Friedensnobelpreis hatte sie schon 1901 gerechnet
Ihr öffentliches Friedensengagement trägt Bertha von Suttner nicht nur viel Anerkennung und Verehrung ein, sondern auch Kritik und zahlreiche Anfeindungen. Im konservativen Milieu der Donaumonarchie stößt die fortschrittlich-liberal und antiklerikal eingestellte Baronin auf heftige Ablehnung. Viele ihrer Zeitgenossen halten sie für eine Utopistin, in Karikaturen wird sie als "Friedensbertha" verspottet.
Bertha von Suttner, die im ausgehenden 19. Jahrhundert immer mehr zur Leitfigur der organisierten Friedensbewegung wird, lässt sich von alldem nicht in ihrem Arbeitseifer beirren. Die seit 1902 verwitwete Pazifistin nimmt an internationalen Friedenskonferenzen und Kongressen teil, hält Vorträge und schreibt Artikel. Ständig sucht sie nach neuen Mitstreitern und korrespondiert mit prominenten Persönlichkeiten. Nach einer Vortragsreise in den USA im Jahr 1904 wird sie von Präsident Theodore Roosevelt im Weißen Haus empfangen.
Im Dezember 1905 wird der 62-Jährigen der Friedensnobelpreis zuerkannt. Es ist die Krönung ihres Lebenswerkes. Fünf Jahre hat sie auf die Ehrung warten müssen, mit der sie schon bei der ersten Preisvergabe 1901 gerechnet hatte. Obwohl sie kein öffentliches Amt hat, ist Bertha von Suttner in den letzten Jahrzehnten ihres Lebens eine der berühmtesten Frauen ihrer Zeit.
Im Alter von 71 Jahren stirbt die an Magenkrebs erkrankte Bertha von Suttner in Wien. Den "großen Jammer-Zukunftskrieg", vor dem sie einst warnte, haben sie und ihre Mitstreiter nicht abwenden können. Wenige Wochen nach dem Tod der großen Pazifistin befinden sich die Mächte Europas im Krieg, mehr als zehn Millionen Menschen finden bis 1918 auf den Schlachtfeldern den Tod. Bertha von Suttners Vision einer Welt ohne Krieg hat sich bis heute nicht erfüllt.