Als Karl der Große bei seinen Eroberungszügen im Jahr 775 mit seinen Truppen die Weser erreichte, konnte der Frankenherrscher nicht ahnen, dass dort einmal Weltgeschichte geschrieben werden würde. Er brauchte zunächst einen mächtigen Außenposten, um das gerade eroberte Gebiet im ehemaligen Sachsenland zu festigen. So entstand die Reichsabtei Corvey bei Höxter, die nun Weltkulturerbe werden soll.
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Corvey habe zu den einflussreichsten Klöstern gehört und sich schnell zum geistigen und politischen Zentrum im Frankenreich entwickelt, erklärt die Geschäftsführerin und Museumsleiterin des Kulturkreises Höxter-Corvey, Claudia Konrad. Für den Welterbe-Titel der UNESCO kann Corvey immerhin das älteste, fast vollständig erhaltene Westwerk aufbieten: Westwerke, meist an die Kirchen von Reichsklöstern angebaut, waren für reisende Herrscher und ihr Gefolge bestimmt. Sie dienten als Kanzlei oder Gerichtsort. Von einer Empore aus, die sich zum Kirchenraum öffnete, konnten Könige und Kaiser zudem aus majestätischer Höhe am Gottesdienst teilnehmen.
In seinem Weltkulturerbe-Antrag verweist Corvey außerdem auf die unterirdische Stadt Corvey, die Civitas. Sie umgab damals das Kloster, bis sie von Bürgern des benachbarten und rivalisierenden Höxters niedergebrannt wurde.
Guter Standort an den Weserauen bei "Huxori"
Auf seiner Sitzung in Katars Hauptstadt Doha will das UNESCO-Komitee ab dem 15. Juni über weitere Aufnahmen in die Liste des Welterbes entscheiden. Schloss und Museum Corvey halten eine Entscheidung am 22. Juni für möglich.
Das Kloster Corvey wurde nicht mehr von Karl dem Großen errichtet, sondern entstand unter dessen Sohn Ludwig dem Frommen. Die vorherige Klostergründung in Hethis, im heutigen Naturpark Solling (Niedersachsen) war kein Glücksgriff gewesen. Karl der Große hatte vor allem eine Trutzburg gegen die Sachsen im Sinn gehabt. Für die im Jahr 816 dort angesiedelten Benediktinermönche aus dem westfranzösischen Corbie erwies sich der in tiefen, dunklen Wäldern gelegene Ort als äußerst ungünstig: Kalte, stürmische Winter und die schlechte Lage abseits der damaligen Handelswege machten den Mönchen das Leben und Missionieren schwer.
Einen neuen Standort für das Kloster wurde nach dem Tod Karls des Großen (814) unter seinem Nachfolger und Sohn, Ludwig dem Frommen im Jahr 822 gefunden: Direkt in den Weserauen in der Nähe des Königshofes "Huxori", dem heutigen Höxter, entstand "Nova Corbeia", das "Neue Corbie", das bereits 826 vom französischen Mutterkloster unabhängig wurde.
Mönche pflegten Bibliothek und Schreibschule
Dass einige Jahre später die Reliquien des Heiligen Vitus von Paris nach Corvey überführt wurden, war ein Glückfall für die Benediktinerabtei am Rande des Frankenreichs. Von da an entwickelte sich das Kloster als berühmter Wallfahrtsort und Missionierungszentrum. Die christliche Kultur reichte bald bis nach Nordosteuropa.
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Das mit großen Ländereien ausgestattete Kloster florierte nicht nur wirtschaftlich. Weltruhm erlangten auch Bibliothek und Schreibschule. Mit Vorliebe pflegten die Corveyer Mönche antike Schriftsteller wie Cicero, Vergil, Sallust, Plinius, Livius und Tacitus. Neben den Abschriften dieser Autoren entstand im Scriptorium eine Vielzahl renommierter literarischer Werke. Dazu zählte die Sachsengeschichte des Mönchs Widukind von Corvey als eines der bedeutendsten Zeugnisse abendländischer Geschichtsschreibung des 10. Jahrhunderts.
Das rege geistige Leben Corveys kam mit dem Dreißigjährigen Krieg und den Zerstörungen an der Klosteranlage zum Erliegen. Zwar wurde das Areal Ende des 17. Jahrhunderts als barocke Residenz wieder aufgebaut. An seine Glanzzeiten konnte Corvey jedoch nicht wieder anknüpfen.
Lebendiger Ort mit großer Geschichte
Heute ist Corvey wieder ein beliebtes Ausflugziel. Direkt am Europa-Radweg R1 gelegen, machen viele Radler und Wanderer Station in der weitläufigen barocken Schlossanlage, die sich seit 1834 durch Erbfolge im Besitz der Herzoglichen Familie von Ratibor befindet. Der Kulturkreis Höxter-Corvey, der das Museum im Schloss unterhält und die Corveyer Musikwochen ausrichtet, setzt sich für die Bewahrung des kulturellen Erbes mit Veranstaltungen und Ausstellungen ein.
Von dem Welterbetitel erhofft sich der Kulturkreis wieder mehr Aufmerksamkeit und internationale Besucher. "Wir sind lebendiger Ort, der sich seiner großen Geschichte bewusst ist", sagt Kulturkreis-Geschäftsführerin Konrad.