Foto: dpa/Robert Ghement
Mit Jesus-Tattoo zum Erfolg
Die Fifa verbietet religiöse Bekundungen auf dem Rasen. In Brasilien könnte das ein Problem werden, denn mindestens das Bekreuzigen am Spielfeldrand gehört dazu wie das Beten in der Kabine. Für Bußgelder hätte das WM-Land kein Verständnis.
11.06.2014
epd
Susann Kreutzmann

Wer kickt, betet - so könnte die Formel für den brasilianischen Fußball lauten. Zahlreiche Stars zeigen ihren Glauben öffentlich, auch auf dem Rasen. So wie Verteidiger Dani Alves, der ein großflächiges Jesus-Tattoo auf dem Unterarm hat. Stürmerstar Neymar, auf dem alle Torhoffnungen ruhen, ist bekennendes Mitglied einer Pfingstkirche. Nach jedem Tor streckt er die Zeigefinger gen Himmel.

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Doch die Regeln des Weltfußballverbandes Fifa verbieten religiöse oder politische Bekundungen. Bei der diesjährigen Weltmeisterschaft, die am 12. Juni in São Paulo angepfiffen wird, will der Verband hart durchgreifen. Der frühere Nationalspieler Lúcio kritisiert das. Er werde immer mit seinem T-Shirt unter dem Trikot zeigen, dass er gläubig ist. "Es gibt Vorurteile über Religion im Fußball."

Den bislang größten Streit zwischen Fifa und brasilianischem Verband gab es beim Confed-Cup 2009 in Südafrika. Nach dem Finalsieg über die USA beteten die brasilianischen Spieler inbrünstig auf dem Rasen. Damals kam die Seleção mit einer Ermahnung davon. In diesem Jahr will die Fifa notfalls Bußgelder verhängen. Auch Glaubensbekenntnisse auf T-Shirts, die die Spieler unter den Trikots tragen und beim Jubeln zeigen, sind für die Profis verboten. Der Weltverband beruft sich dabei auf Artikel 4 (Ausrüstung) seiner Spielerordnung.

Keine Probleme zwischen Evangelikalen und Katholiken

"Religion und Fußball haben viele Gemeinsamkeiten", sagt hingegen Frank Usarski, Religionswissenschaftler an der Katholischen Universität PUC in São Paulo. "Beide haben sinnstiftendes Potenzial, haben mit Gemeinschaftsgefühl zu tun, spenden Hoffnung und gewähren Erfahrungen des Nicht-Alltäglichen." Das Verbot der Fifa kann nicht alle religiösen Gesten auf dem Spielfeld verhindern, ist er sicher.

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Neben Neymar sind auch Stürmer Fred und Mittelfeldspieler Paulinho Anhänger der Pfingstkirche. Torwart Jefferson ließ sich ein Fischsymbol auf seine rasierte Glatze tätowieren, das seine evangelikale Einstellung öffentlichkeitswirksam zeigte. 2013 beschäftigte sich das brasilianische Sportgericht damit, ob dies ein regelwidriger Verstoß sei. "Um weitere Polemiken zu vermeiden, ließ Jefferson das Symbol daraufhin entfernen", erläutert Usarski.

Insgesamt ist aber eine Veränderung zu bemerken: Von 2002 bis 2010 kam regelmäßig ein evangelikaler Pastor in das Quartier der Nationalmannschaft, jetzt nicht mehr. Der Trainerstab betont, dies sei allein die Entscheidung der Spieler. Die Fußballer wiederum versichern, es gebe keine Probleme zwischen Evangelikalen und Katholiken. "Das Thema Religion ist in der Seleção im Vergleich zu früheren Jahren in den Hintergrund gerückt, was auch damit zu tun hat, dass die evangelischen Kirchen immer mehr zum brasilianischen Alltag gehören", erläutert Usarski. Umso selbstverständlicher sind religiöse Bekundungen.

Weltfußballer-Trophäe schmückt eine Pfingstkirche

Damit steht die Nationalelf für den religiösen Wandel in Brasilien. In dem immer noch weltweit größten katholischen Land gewinnen die Evangelikalen jährlich rund zwei Millionen neue Mitglieder hinzu. Besonders in der Peripherie der Großstädte und in den Armenvierteln ist der Zulauf groß.

Die Spieler, die in Brasilien von Großteilen der Bevölkerung sehr verehrt werden, dienen wiederum den Kirchen als Botschafter. In den zahlreichen evangelikalen TV-Kanälen werden denn auch immer wieder Gottesdienste für die Seleção abgehalten. Viele Spieler bedenken ihre Kirchen mit Spenden.

Auch Neymar soll seiner Gemeinde in der Peripherie von São Paulo viel Geld zukommen lassen. Allerdings praktiziert der 22-Jährige seinen Glauben diskret. Als religiösester Spieler gilt Kaká, derzeit beim AC Mailand unter Vertrag. Seine Trophäe als Weltfußballer des Jahres 2007 übergab er der Pfingstkirche Renascer em Christo (Wiedergeburt in Jesus) in São Paulo. Nach Medienberichten überweist er jährlich mindestens zwei Millionen Reais (rund 700.000 Euro) an die Gemeinde.