Viele geraten ins Schwärmen, wenn sie von der Jugendarbeit der evangelischen Kirche in Cochem erzählen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich hier eine junge Gemeinde entwickelt, die mittlerweile weit über die Grenzen der eigentlichen Kirchengemeinde hinausstrahlt und Aufmerksamkeit auf sich zieht. "youcom", der Name der Jugendgemeinde, ist dabei durchaus Programm: YOUng COMmunity, junge Gemeinschaft. Rund 200 Jugendliche werden hier mit den verschiedenen Angeboten erreicht.
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Entwickelt hat sich alles aus der Konfirmanden- und Jugendarbeit der evangelischen Kirchengemeinde Cochem, einer Diasporagemeinde mit rund 4500 Evangelischen, zu der immerhin 77 Dörfer an der Mosel, in der Eifel und im Hunsrück gehören und die eine Fläche umfasst, die größer ist als das frühere West-Berlin. Angesichts solcher Dimensionen stellte sich für das Presbyterium schon immer die Frage, wie Jugendliche in einer solchen Region zueinander und auch zur Kirchengemeinde finden können.
Schon früh setzte die Kirchengemeinde dabei auf eine breite Basis von ehrenamtlichen Mitarbeitenden, Jugendlichen wie Erwachsenen, die eigene Jugendgottesdienste gestalteten, Freizeiten anboten und zahlreiche Veranstaltungen für Jugendliche organisierten. Längere Zeit war hier ein Streetworker, gerade für junge Russlanddeutsche, die in der Gemeinde leben, tätig. Der Durchbruch kam im Oktober 2004, als Maik Sommer als neuer Pastor im Sonderdienst nach Cochem kam. Ein Glücksfall für die Gemeinde. Denn durch ihn erhielt die Jugendarbeit neuen Schwung, wurde die Kirche für Jugendliche erlebbar.
"Wir wollen uns nicht abgrenzen, sondern wir gehören dazu"
Rasch entwickelten sich eigene gottesdienstliche Strukturen für die Jugendlichen, so der Gottesdienst "WonWay", die Hauskreise "NextGen" oder das Projekt "Cinema meets Church" (C.m.C.), bei dem sich im Kino Jugendliche in einem selbst gestalteten Gottesdienst mit dem Thema eines Films auseinandersetzen. Alles verbunden mit einer Vision: "Junge Menschen mit Leidenschaft, die Gemeinschaft um Jesus haben und durch die er strahlt." Maik Sommer drückt es so aus: "Wir orientieren uns an den Grundwerten Worship, Zeit mit Gott, Dienst und Botschafter sein und wir laden dazu junge Menschen der Region ein."
Rund 70 Jugendliche gehören mittlerweile zum festen Kern. Eigene Teams bereiten die Veranstaltungen vor, auf Freizeiten gibt es Fortbildungen für die Mitarbeitenden. Bald schon entstand die Idee einer eigenen Jugendgemeinde, mit eigener Leitungsstruktur, eigenem Etat. So bildete sich eine berufene Jugendgemeindeleitung ("Heart & Brain"), sowie ein Jugendausschuss, dem neben Jugendlichen auch erwachsene Vertreter der Kirchengemeinde angehören. Denn auch das gehört zum Selbstverständnis von "youcom": Sie ist fester Bestandteil der Kirchengemeinde. "Trotz eigener Strukturen, eigenem gottesdienstlichen Leben und einem Budget wollen wir Teil der Gesamtgemeinde bleiben und Einfluss auf die Gemeinde nehmen", erläutert der Jugendpastor. Und Julia Nitzsche, die der Jugendgemeindeleitung angehört, betont: "Wir wollen uns nicht abgrenzen, sondern wir gehören dazu und ergänzen uns."
Lange gab es eine Zeit der Ungewissheit um das Amt des Jugendpastors. 2009 lief der Sonderdienst aus, es drohte die Gefahr, dass der Jugendpfarrer die Gemeinde verlässt. Da die Gemeinde Maik Sommer aber unbedingt halten wollte, wurde er von der Kirchengemeinde Cochem auf Spendenbasis für weitere Jahre als "Pastor für die Jugend" angestellt. Rund 125.000 Euro waren dafür nötig, viele Personen, aber auch die Kommunen, der Kirchenkreis und Organisationen beteiligten sich. Für die Diasporagemeinde, die fünf Kirchengebäude zu unterhalten hatte und finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, eine gewaltige Anstrengung, die aber gerne in Kauf genommen wurde. "Es durfte nicht sein, dass diese Angebote für junge Menschen, die auf so große Resonanz stoßen, dann wegfallen", meint Rüdiger Lancelle, der Vorsitzende des Presbyteriums. Und die Spendenaktion erwies sich als großer Erfolg: Maik Sommer konnte angestellt werden.
Mittlerweile ist der Jugendpastor wieder in den Dienst der Landeskirche zurückgekehrt. Im Oktober vergangenen Jahres wurde er von der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) auf eine Pfarrstelle mit besonderem Auftrag für die Jugendgemeinde berufen. Kleiner Wermutstropfen: Die Gemeinde muss weiterhin 75 Prozent der Kosten für diese auf sechs Jahre befristete Stelle übernehmen, aber immerhin trägt die rheinische Kirche das restliche Viertel. Daher ist die Gemeinde weiterhin auf Spenden angewiesen, wie Rüdiger Lancelle betont. Doch für ihn ist auch klar: "Für uns und unsere Arbeit ist diese Stelle unverzichtbar."
Ein offenes, gastfreundliches Haus
Aber nicht nur der Jugendpastor bleibt. Ende des vergangenen Jahres ging für die Jugendgemeinde ein weiterer, schon lange gehegter Traum in Erfüllung: Sie erhielt eigene Räume, die sie für ihre Arbeit nutzen kann. Beim Umbau des Gemeindezentrums in Cochem wurde eine Etage für die Jugend eingerichtet, ein "Zuhause für die Jugend", die "home zone". Der Mittelpunkt ist "SonRise", wo die Jugendlichen gemütlich beisammen sein können. Hier gibt es eine Leinwand, einen Beamer, Platz für eine kleine Band und vieles mehr.
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Im Dachgeschoss gibt es auch Übernachtungsmöglichkeiten, was angesichts des großen Gemeindegebietes wichtig ist, gerade für Minderjährige ohne Auto. "Ein offenes, gastfreundliches Haus soll es sein", hatte Isabell Reichert, die der Jugendgemeindeleitung angehört, bei der Eröffnung betont. Und das ist es geworden. In den Räumen gibt es verschiedene offene Angebote, so beispielsweise ein Schüler-Café und Gesprächsmöglichkeiten, hier werden die Jugendgottesdienste gefeiert, die Hauskreise treffen sich ebenfalls hier. "Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass eigene Räume für Jugendliche sinnvoll sind", sagt Maik Sommer.
Alles in allem also eigentlich gute Aussichten für die Jugendgemeinde in Cochem. Ein Problem ist und bleibt allerdings die Fluktuation. Die Region ist strukturschwach, viele Jugendliche verlassen nach der Schule notgedrungen für Studium oder Ausbildung die Kirchengemeinde. "Wir erleben hier schon einen häufigen Wechsel, was die Arbeit nicht immer einfach macht", meint Julia Nitzsche. Und Maik Sommer ergänzt: "Das prägt und beeinflusst natürlich die Jugendgemeinde."
Dennoch: Die youcom-Strukturen sind mittlerweile gefestigt und nachhaltig. Viele Jugendliche finden über diese Angebote zum Glauben und zur Kirche. Und auch die Kirchengemeinde profitiert umgekehrt von den Ideen, den Anregungen der Jugendlichen und den Gesprächen mit den jungen Menschen. "Wir wünschen uns hier eine gegenseitige Bereicherung: Die Leidenschaft der Jugend mit der Weisheit der Lebenserfahrungen", beschreibt dies Maik Sommer. Und er ist überzeugt: "Das gelingt uns hier in Cochem ganz gut."