Weiße Schiffe symbolisieren in Estland die Hoffnung auf Befreiung von Unterdrückung.
Foto: Monika Bertram
Weiße Schiffe symbolisieren in Estland die Hoffnung auf Befreiung von Unterdrückung.
"Gottes schönstes Wort heißt Willkommen"
Wie homosexuelle Christen in Europa an ihrem Glauben festhalten
Mit der Akzeptanz von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen tun sich viele Kirchen in Europa schwer. Wie tief der Graben ist, zeigt sich auf den Treffen des Europäischen Forums für homo-, bi- und transsexuelle Christinnen und Christen. Eines davon ist am Sonntag zu Ende gegangen. Monika Bertram, Pfarrerin im hessischen Seeheim-Malchen, war dabei.
27.05.2014
evangelisch.de
Dominik Speck

"Sailing with Hope" – "Segeln mit Hoffnung": Unter diesem Motto hat sich das Europäische Forum für homo-, bi-  und transsexuelle christliche Gruppen vom 21. bis 25. Mai im Ostseeraum getroffen. Organisiert wurde das Treffen von der estnischen Sektion des Forums. Auf dem "Weißen Schiff" ging es von Stockholm nach Talinn, von dort weiter nach Helsinki und dann wieder nach Stockholm.

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Die Tagung fand teilweise auf einem Schiff statt – die estnischen Veranstalter fürchteten, in ihrer Heimat keine Kirche zu finden, die ihre Türen für eine solche Tagung öffnet.

Monika Bertram: Wir konnten in Talinn im Hotel unterkommen und tagen, aber eine Kirche für einen Gottesdienst zu finden war schwierig. Einer der estnischen Organisatoren war Pastor der lutherischen Kirche, wurde aber nach seinem Coming-Out rausgeschmissen. Und das ist kein Einzelschicksal. Da waren natürlich Anfeindungen zu vermuten. Aber das "Weiße Schiff" hat auch eine ganz besondere, positive Bedeutung für Estland: Einer Legende nach wird irgendwann ein weißes Schiff über die Ostsee kommen und Befreiung für alle Unterdrückten bringen. Und tatsächlich war die erste Fähre, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Finnland nach Tallinn fuhr, weiß. Das weiße Schiff, mit dem wir über die Ostsee fuhren, war also ein Zeichen der Hoffnung für uns.

120 Teilnehmende aus ganz Europa kamen zu der Schiffahrt über die Ostsee. Vertreten waren Katholiken, Protestanten, Anglikaner und Orthodoxe, Senioren und Studierende.

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Welche Hoffnungen haben die Teilnehmenden?

Bertram: Das ist ganz unterschiedlich. Je nach Kirche und Konfession sind die Probleme und damit auch die Hoffnungen sehr verschieden. Für die Osteuropäer ist in erster Linie die Verfolgung durch den Staat das größte Problem. Die Katholikinnen in unseren Reihen hoffen seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus auf eine Öffnung der Kirche auch in Sachen sexuelle Vielfalt. Vor der Familiensynode, die im Herbst im Vatikan stattfindet, wollen sie ausloten wie sie ihre Anliegen in der Kirche voranbringen können. Deshalb haben sie sich bei einem eigenen Vortreffen noch einmal zusammengesetzt.

Vor dreißig Jahren wurde das "Europäische Forum für christliche LGBT-Gruppen" von sechs Männern in Paris gegründet. Homosexualität war in den westeuropäischen Kirchen damals noch ein Tabuthema, Lesben und Schwule zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt, die Trauung homosexueller Paare undenkbar. Ausgehend von Skandinavien hat sich die Situation zumindest in vielen protestantischen Kirchen Westeuropas verbessert. In der lutherischen Kirche Estlands sieht das ganz anders aus.

"Ich bin sehr gerührt, dass diese Menschen trotzdem am Glauben festhalten"

Am meisten leiden wahrscheinlich die osteuropäischen Christinnen und Christen.

Bertram: Wir hatten eine russische Filmemacherin zu Gast, die mittlerweile in Italien lebt. Sie hat uns einen sehr bewegenden Dokumentarfilm über Schwule, Lesben und Transsexuelle in Russland gezeigt. Wir haben alle geweint, weil es so bewegend und schrecklich war. Es gibt in Russland Gruppen, die Hetze und Jagd auf Homosexuelle machen. Sie machen zum Beispiel Fake-Dates mit ihnen aus und verprügeln sie dann. Dann war da noch eine estnische Christin, die zwei russische Pflegekinder hat. In Russland darf auf keinen Fall bekannt werden, dass sie lesbisch ist, sonst würden ihr die Kinder wieder weggenommen.

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Bekommen manche der Teilnehmenden in ihren Kirchen und Gemeinden Anfeindungen zu spüren?

Bertram: Viele verheimlichen ihre Teilnahme an dem Treffen, sie leben in Angst vor Entdeckung. Deshalb dürfen wir von ihnen auch keine Tagungs-Bilder im Internet veröffentlichen. Es waren auch katholische Priester dabei, die sonst ihren Job verlieren würden. Ich bin sehr gerührt, dass diese Menschen trotzdem am Glauben festhalten. Sie hoffen, dass sie eine Kirche und eine Gemeinde finden, wo sie sein dürfen, so angenommen werden, wie sie sind. Und das obwohl sie so viel Leid von ihrer Kirche erfahren haben. Ich weiß nicht, ob ich das schaffen könnte und würde.

In den deutschen evangelischen Landeskirchen wird Homosexualität zunehmend akzeptiert. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), für die Monika Bertram arbeitet, hat als erste deutsche evangelische Kirche die Gottesdienste zur Segnung homosexueller Paare weitestgehend mit den traditionellen Trauungen gleichgestellt. Die Segnungen werden jetzt in die Kirchenbücher eingetragen und beurkundet.

"Ich bin unheimlich froh, dass ich in diesem Land und in dieser Kirche leben und arbeiten darf"

Wird man da als lesbische deutsche Pfarrerin beneidet?

Bertram: Vielen macht es Mut, dass ich ordinierte Pfarrerin in einer Landeskirche bin und mit meinem Lesbisch-Sein offen umgehen kann. Ich bin unheimlich froh, dass ich in diesem Land und in dieser Kirche leben und arbeiten darf. Statt Leid und Unterdrückung habe ich Unterstützung erfahren. Man darf aber nicht vergessen, dass es zwischen den Landeskirchen in dieser Frage noch sehr große Unterschiede gibt. Ich arbeite in der EKHN und bin sehr stolz auf Kirchenpräsident Volker Jung, der sich vor kurzem für das volle Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ausgesprochen hat. In manchen Landeskirchen sieht das anders aus – wir hatten auch Pfarrerinnen und Pfarrer aus Württemberg dabei, wo die Öffnung erst langsam beginnt.

Monika Bertram (rechts) und die deutsche Pfarrerin Kerstin Söderblom. Im Gegensatz zu vielen anderen Teilnehmern des Treffens darf ihr Bild im Internet veröffentlicht werden.

Können Sie auch theologische Schützenhilfe leisten?

Bertram: Ja. Theologische Auseinandersetzungen mit dem Thema haben im Forum eine lange Tradition. In vielen Kirchen gerade in Osteuropa gibt es diesen Diskurs kaum. Es geht darum, zu zeigen: Gott liebt uns so, wie wir sind. Ich habe mich für ein Mentoren-Programm beworben, bei dem osteuropäische LGBT-Gruppen einen Ansprechperson hier im Westen oder im Norden bekommen.

Dieses Jahr lädt das Forum zu einer Sommer-Uni für homo-, bi- und transsexuelle Christinnen und Christen aus Osteuropa nach Moldawien ein. Sie sollen gestärkt werden um mit Anfeindungen umgehen zu können und theologische Argumentationshilfe bekommen. Diese theologische Unterstützung ist ganz wichtig. In Helsinki haben wir einen Gottesdienst mit der dortigen Bischöfin Irja Askola gefeiert. Ihr wichtigster Satz war: Gottes schönstes Wort heißt Willkommen.

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