Die entscheidende Pointe zum Thema Whistleblowing stand schon vor Beginn der Sendung fest: Edward Snowden, um den das Gespräch die meiste Zeit kreisen sollte, konnte, selbst wenn er gewollt hätte, nicht kommen. Seine Enthüllungen der NSA-Machenschaften haben ihn zu einem unfreien Mann gemacht. Jetzt sitzt er in Russland fest, einem Land, in dem er nie leben wollte. Das ist der Preis, den er für sein Handeln zahlen musste.
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So wurde es auch immer dann spannend, wenn Reinhold Beckmann mit seinen Gästen der Frage nachging, was Whistleblower eigentlich antreibt. Schließlich riskieren sie Jobverlust, Verfolgung, Gefängnis. Sie begehen, wie es die Psychiaterin Hanna Ziegert in der Sendung einmal ausdrückt "sozialen Suizid". Warum machen die das?
Snowden war nicht da, dafür konnte sein engster Vertrauter Glenn Greenwald, der Journalist, der als erster Snowdens Enthüllungen öffentlich machte, aus erster Hand berichten. Gerade hatte er Snowden in dessen unfreiwilligem Exil besucht. Auf Beckmanns Frage, wie es Snowden denn gehe, antwortete Greenwald: "Fantastisch. Er ist einer der glücklichsten Menschen, die ich kenne. Wenn man so etwas macht wie er, und man weiß, dass es das richtige ist, dann kann man ruhig schlafen. Das gibt eine gewisse Ruhe." Greenwald zufolge hat Snowden eine Ungerechtigkeit entdeckt, mit der er einfach nicht weiterleben konnte. Deswegen musste er alles öffentlich machen. "Er hatte keine Wahl, so empfand er das."
Angst oder Widerstand?
Ähnlich beschrieb es Brigitte Heinisch. Die Altenpflegerin hatte eklatante Missstände bei ihrem Arbeitgeber, dem Berliner Klinikkonzern Vivantes offengelegt und war dafür gefeuert worden. Sie trug den Fall bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und hat erst kürzlich eine Entschädigung von 90.000 Euro erstritten. "Ich war schon zeitweise kaputt. Aber ich hatte einen Motor in mir drin, der mir sagte: Du machst das richtige. Ich wollte morgens ja noch in den Spiegel schauen können."
Konzerne und Regierungen bedienen sich allerdings einer mächtigen Waffe, um potentielle Whistleblower in Schach zu halten: der Angst. Greenwald, der sich von einem privaten Sicherheitsdienst schützen lässt, erzählte, wie die US-Regierung ihn und seine Mitstreiter ganz bewusst in einem Zustand der ständigen Unsicherheit lässt. Nie weiß er, ob ihm nicht bald eine Festnahme droht. Auf diese Weise sollen er und mögliche Nachahmer abgeschreckt werden.
Auch Brigitte Heinischs Arbeitgeber schuf ein Klima der Angst, das sie zum verstummen bringen sollte. "Aber wenn mir gesagt wird, ich hätte den Mund zu halten, gerade dann geht es nicht", sagte sie. Ihren Widerstandswillen führt sie auf die antifaschistische Erziehung, die sie genossen habe, zurück.
Ein schweigendes Mahnmal
Günter Wallraff, der an diesem Abend sonst leider nicht mehr viel Erwähnenswertes zu sagen hatte, glaubt, dass nach Enthüllungen vor allem die Öffentlichkeit gefordert ist. Nur sie könne Veränderungen erzwingen. Gerade hat er mit seinem Team Hygienemängel und Arbeitsrechtsverletzungen bei Burger King aufgedeckt. Daraufhin sind der Fast Food-Kette massenhaft die Kunden weggeblieben. "Die müssen jetzt reagieren", ist Wallraff sich sicher.
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Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum dagegen fiel vor allem durch sein unerschütterliches Vertrauen in den Staat auf. Gerade Deutschland sei angesichts seiner jüngeren Geschichte besonders sensibel, was die Überwachung der Bürger angehe. Nicht nur den anderen Gästen, sondern wohl auch den Zuschauern dürfte es schwer gefallen sein, Baums Optimismus zu teilen. Greenwald stellte noch einmal klar, dass Whistleblower unter Umständen das Recht brechen müssen: "Whistleblower sind die, die aus dem System heraustreten müssen, weil es an sich korrupt ist." Einig war sich die Runde dann auch darin, dass Verschwiegenheitsklauseln nicht gelten können, wenn schweres Unrecht geschieht. Außerdem müsse es einen gesetzlich geregelten Opferschutz für Whistleblower geben.
Schließlich gab es noch eine weitere bittere Lektion in Sachen Whistleblowing: Im August 2013 hatte die Psychiaterin Hanna Ziegert bei "Beckmann" von fragwürdigen Praktiken bei der Anfertigung von gerichtlichen Gutachten berichtet. Danach sah sie sich erheblichen Anfeindungen ausgesetzt und wurde auch nie wieder von einer Staatsanwaltschaft mit der Anfertigung eines Gutachtens beauftragt. Jetzt saß sie erneut bei Beckmann, diesmal aber, wie sie selbst sagt, mit einem "gefühlten Maulkorb". Derart ausgestattet war sie weniger eine echte Diskussionsteilnehmerin, denn ein schweigendes Mahnmal.