Foto: epd-bild/Französische Kirche/Rolf Zöllner
Vollender der Reformation: Vor 450 Jahren starb Calvin
Calvins Hang zur Pünktlichkeit soll einst die Entwicklung der Uhrenindustrie in Genf befördert haben. Der Humanist, Jurist und Theologe reformierte neben Luther die spätmittelalterliche Kirche. Er starb am 27. Mai 1564.
27.05.2014
epd
Stephan Cezanne

Kein Theologe prägte das protestantische Christentum neben und nach Luther so tiefgreifend wie Johannes Calvin (1509-1564). Denn aus der Reformation vor fast 500 Jahren entstand keine einheitliche evangelische Kirche: Neben den Lutheranern gibt es die reformierten Kirchen, die sich allerdings nicht nach ihrem bedeutendsten Reformator Calvin benannten. Der "französische Luther" starb vor 450 Jahren, am 27. Mai 1564, im Alter von nur 54 Jahren in Genf. 

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Einigen Kirchenhistorikern gilt Calvin als "Vollender der Reformation". Auf ihn berufen sich heute mehr als 80 Millionen reformierte Christen weltweit. Er kam am 10. Juli 1509 rund 100 Kilometer von Paris entfernt in Noyon zur Welt - acht Jahre vor dem legendären Thesenanschlag Martin Luthers (1483-1546) gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit. Mit Luthers Thesen entzündete sich die lange schwelende Reformation, die Europa dramatisch erneuerte und zur Gründung der evangelischen Kirchen führte.

Calvin, der Luther nie begegnete, gehört zur zweiten Welle dieser religiösen Revolution. Auch die moderne Demokratie, die Idee der Menschenrechte und die Ökumene wurden von ihm beeinflusst. In seiner berühmten Genfer Kirchenordnung, entwickelt Mitte des 16. Jahrhunderts, sehen viele ein Modell der späteren staatlichen Gewaltenteilung. 

Der Vater des Kapitalismus?

Er gehörte zur Bildungselite seiner Zeit. Der Sohn aus wohlhabendem Haus - sein Vater war bischöflicher Verwalter - erhielt eine klassische Erziehung und absolvierte ein humanistisches Studium. Zunächst treuer Katholik, fand Calvin über Freunde offenbar Zugang zu fortschrittlichen reformatorischen Ideen. Wohl Anfang der 1530er Jahre schloss er sich der Reformation an und bekannte sich offen zum evangelischen Glauben.

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Nach der Flucht aus Paris und Zwischenstationen in Basel und Straßburg kam Calvin 1541 endgültig nach Genf, um dort den Rest seines Lebens zu wirken. Er verwandelte die damalige Provinzstadt in ein intellektuelles Zentrum Europas und zog Gelehrte, Handwerker und Familien an, die vor der religiösen Verfolgung Schutz suchten. 

Damit trug der auf Gemälden stets hager und streng dargestellte Calvin zur wirtschaftlichen Dynamik dieser Region bei. Neben der Uhrenindustrie zeugt auch das Bankgewerbe bis heute davon. Calvins Lehre von der Vorherbestimmung (Prädestination), der zufolge am wirtschaftlichen Erfolg eines Menschen sein Ansehen bei Gott zu erkennen sei, wurde oft missverstanden. Auch der deutsche Soziologe Max Weber (1864-1920) sah darin die Ursache für das protestantische Arbeitsethos und das Gewinnstreben im Kapitalismus, weshalb Calvin oft auch "Vater des Kapitalismus" genannt wird. Tatsächlich beschreibt Calvins Lehre aber die Bedeutungslosigkeit des menschlichen Willens gegenüber der Allmacht Gottes.

Spiritualität und Scheiterhaufen

Es gab aber auch den dunklen Calvin. Wegen seiner Kompromisslosigkeit in Glaubensfragen galt er als "Despot aus Genf". Besonders seine aktive Rolle bei der Anklage gegen den spanischen Arzt und Juristen Miguel Servet belastet seinen Ruf bis heute schwer.

Servet wurden Ketzerei und Gotteslästerung vorgeworfen. Er endete schließlich am 27. Oktober 1553 auf dem Scheiterhaufen. Historiker entlasten Calvin mit den Zeitumständen.

Calvins Strenge gegen sich und andere ist wohl auch Folge eines von Schicksalsschlägen gezeichneten Lebenslaufes: Zunächst musste er aus seiner Heimat Frankreich fliehen, 1549 starb Calvins Frau, ein aus der Ehe stammender Sohn überlebte die Geburt nur kurz. Der Nachwelt hinterließ Calvin eine Form evangelischer Frömmigkeit und Spiritualität, die nach wie vor Millionen Menschen weltweit fasziniert.