Foto: epd-bild/Rüdiger Niemz
Der Pflugschar-Schmied: Friedrich Schorlemmer wird 70
Pfarrer im Unruhestand: Friedrich Schorlemmer ist zwar schon seit einigen Jahren pensioniert, aber noch genauso umtriebig und zuweilen streitlustig wie in seiner Zeit als DDR-Bürgerrechtler. Am Freitag wird er 70 Jahre alt.
16.05.2014
epd
Karsten Wiedener

Der Satz fiel bereits mitten in der Wendezeit, doch 24 Jahre später kann Friedrich Schorlemmer seine Aussage unterstreichen: "Ich bin ein Kind der DDR", hatte der bekannte Bürgerrechtler Mitte 1990 in einem Essay erklärt. "Das bejahe ich noch immer. Es ist kein Bekenntnis zur DDR, sondern es geht darum, was an Prägung bleibt, und um eine Ortsbeschreibung mit Folgen", sagt Schorlemmer heute. Rund vier Jahrzehnte hat er als Pfarrer, Dozent und Studienleiter in kirchlichen Diensten gestanden. Am Freitag (16. Mai) feiert der Wittenberger evangelische Theologe und Publizist seinen 70. Geburtstag.

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Geboren ist Schorlemmer am 16. Mai 1944 in der Kleinstadt Wittenberge in der Prignitz, wo er in einem Pfarrhaus aufwuchs. Hier hat er 1962 das Abitur an der Volkshochschule nachgeholt, weil ihm als Pfarrerssohn die Oberschule verwehrt geblieben war.

Schorlemmer und seine Altersgenossen aus christlichen Elternhäusern mussten früh lernen, die eigene Meinung gegenüber Lehrern und anderen Autoritäten zu verteidigen. Der Umgang mit Überzeugungen sowie die Themen Frieden und Versöhnung zogen sich weiter durch sein Leben. Genannt seien nur die Verweigerung des Wehrdienstes, seine Ansprachen bei Großdemonstrationen wie im November 1989 in Ostberlin oder bei den Protesten gegen den Irakkrieg 2003.

Beim Frieden kommt es ihm vor allem auf die biblische Vision von einer Welt an, in der Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden und kein Volk mehr Kriege führt. Dieses Bild aus dem alttestamentlichen Buch Micha hat er beim Kirchentag 1983 mit seiner Schmiedeaktion in Wittenberg besonders anschaulich dargestellt, freilich sehr zum Ärger der DDR-Führung.

Seit 1978 lebt Schorlemmer in der Lutherstadt, wo er zunächst als Dozent am Predigerseminar und seit 1992 als Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt tätig war. An der Schlosskirche, in der Martin Luther begraben liegt, hatte er rund 25 Jahre einen Predigtauftrag.

Schorlemmer erhebt seine Stimme

Seinen häufigen Appell an die eigene Kirche, sich gegen Gewalt, Ungerechtigkeit und Verzweiflung zu engagieren, lebt Schorlemmer seit Jahrzehnten vor. Ob Nahost, Afghanistan, Zuwanderung oder der Ausbau der Elbe - Schorlemmer erhebt seine Stimme. Allein in diesem Jahr äußerte er sich unter anderem zum Konflikt in der Ukraine und zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde. Ein anderes Mal warf er den christlichen Kirchen vor, sich nach 1990 besonders in Ostdeutschland nicht genug hinter die sozial schwachen Menschen gestellt zu haben. Sein kritisches Wort war aber auch schon in der DDR in Vorträgen und Predigten, Erklärungen und Thesen präsent.

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Und auch heute ist Schorlemmer auf solche Weise in ganz Deutschland unterwegs. Vielleicht drei Tage pro Woche sei er durchschnittlich zu Hause, schätzt er. Diese Beanspruchung ist aber keineswegs nur Last für den pensionierten Geistlichen - denn "Sachen, die man für sinnvoll hält, kosten nicht nur Kraft, sie geben auch Kraft", sagt er. Dass er so oft angefragt wird - etwa auch von einer Gemeinde, die die fertige Renovierung ihrer Dorfkirche feiert - liegt wohl an seiner Fähigkeit, Themen, die die Menschen bewegen, treffend zu formulieren.

Der Umfang seiner Veröffentlichungen bis heute ist etwa so groß wie die Liste der Ehrungen, die Schorlemmer für sein Engagement erhielt. Darunter sind die Carl-von-Ossietzky-Medaille, der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das Bundesverdienstkreuz. Sie alle geben Auskunft vor allem über seine Bedeutung für die DDR-Opposition, für die friedliche Revolution und für den Kampf um mehr Gerechtigkeit.