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Wie schaffen wir eine bessere Welt?
Ökumenisches Treffen in Mainz zwischen Kapitalismuskritik und Friedensbewegung
Zwischen Kapitalismuskritik und Friedensbewegung: Bei der "Oekumenischen Versammlung" in Mainz diskutieren Basisgruppen und Theologen über aktuelle Fragen. Kirchliche Spitzenvertreter sind nicht dabei, doch niemand vermisst sie.
02.05.2014
epd
Karsten Packeiser

In St. Bonifaz, einer spröden katholischen Betonkirche aus der Nachkriegszeit am Mainzer Hauptbahnhof, kochen die Emotionen hoch. Zwischen zwei lebensgroßen Statuen, links der heilige Dominikus, rechts Maria mit dem Jesuskind, wird über die weltweite Finanzmarktkrise und die Profitgier diskutiert.

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Das kapitalistische System sei dabei, die Welt kaputt zu machen, ruft der evangelische Theologe Ulrich Duchrow den rund 150 Zuhörern im Kirchenschiff zu: "Soziale Marktwirtschaft ist eine Illusion", erklärt er. Es sei ein Skandal, dass viele in Deutschland weiter daran glaubten, und Aufgabe der Religionen, diese Illusion zu zerstören.

Draußen vor dem Eingang neben dem Spargelstand begrüßt ein großes Transparent die Teilnehmer der "Oekumenischen Versammlung". Christliche Basisgruppen und Reformtheologen verschiedener Kirchen haben das fünftägige bundesweite Treffen mit mehr als 150 Einzelveranstaltungen organisiert, die Macher sehen sich in der Tradition bedeutender Ökumeneversammlungen in der DDR, die ab 1988 der dortigen Bürgerrechtsbewegung Auftrieb verschafften. In Mainz geht es den bis zu 1.000 Teilnehmern um Gerechtigkeit, Frieden, die Bewahrung der Schöpfung - und um überfällige Reformen in den großen Kirchen.

Ein Stachel im Fleisch der Kirche sein

Zwar haben evangelische und katholische Kirche über das ganze Stadtgebiet verteilt Räumlichkeiten für das Treffen bereitgestellt, aber hochrangige Kirchenvertreter bleiben dann doch lieber auf Distanz zu den kritischen Basisgruppen. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat immerhin ein Grußwort an die Teilnehmer geschrieben. Und Erwin Kräutler, katholischer Bischof aus Brasilien und Träger des Alternativen Nobelpreises, ist in einer Videobotschaft bei dem Treffen präsent.

Gottesdienst beim Auftakt der "Oekumenischen Versammlung"

Doch die prominenten kirchlichen Würdenträger vermisst hier kaum jemand. Der Ruhestandspfarrer Claus-Dieter Schulze ist nach Mainz gekommen, um alte Weggefährten zu treffen und für sein ökumenisches Gemeinschaftswohnprojekt im brandenburgischen Grimnitz zu werben. Dass die Forderungen der "Oekumenischen Versammlung" in den Volkskirchen oder gar auf politischer Ebene in naher Zukunft akzeptiert werden, schätzt er nüchtern ein. "Natürlich ist das nicht mehrheitsfähig, aber das macht nichts", sagt er. "Manchmal reicht es schon, wenn wir Stachel im Fleisch der Kirche sind. Auch die Propheten aus dem Alten Testament waren nicht mehrheitsfähig."

Eine Vision hat auch der badische Religionslehrer Theodor Ziegler. Der Mitbegründer eines friedensethischen Arbeitskreises seiner evangelischen Landeskirche kämpft für einen "Militärausstieg" nach dem Vorbild des Ausstiegs aus der Atomkraft. Bei seinem Workshop in Mainz erklärt er, wieso es Deutschland ohne Bundeswehr bessergehen würde. Er spricht vom Vorbild Costa Rica, das bereits vor über 60 Jahren seine Armee auflöste und seither zum wohlhabendsten Staat Mittelamerikas aufstieg, legt Analysen darüber vor, denen zufolge gewaltloser Widerstand viermal häufiger erfolgreich ist als Waffeneinsatz.

Friedensvisionen an der Basis weiterentwickeln

"Wenn wir keine Bundeswehr hätten, wäre das kein Unsicherheitsfaktor", ist sich Ziegler sicher. Was der politischen Elite in Berlin vermutlich - umso mehr in der derzeitigen Krise zwischen EU, USA und Russland um die Ukraine - völlig illusorisch erscheint, ist zumindest seiner eigenen Landeskirche inzwischen eine ernsthafte Überlegung wert. Die badische Landessynode fasste im Herbst 2013 einen offiziellen Beschluss zur Friedensethik, der die Forderung enthält, Deutschland solle den "Ausstieg aus der militärischen Friedenssicherung" prüfen.

Peter Schönhöffer vom Organisationsteam der Versammlung glaubt fest daran, dass das Ökumenetreffen noch mehr solcher Visionen weiterentwickeln kann. "Halbinseln gegen den Strom" könnten mit Hilfe der christlichen Basisbewegungen entstehen. Bevor er mit den Teilnehmern des Abendplenums über die Forderungen für das Abschlussdokument debattieren kann, muss er aber noch ein ganz konkretes Problem lösen. Einer seiner Hauptreferenten, ein Ex-Minister aus Ecuador, ist noch immer nicht im Tagungsbüro aufgetaucht. Vermutlich ist er nicht rechtzeitig aus dem Zug gestiegen - und an Mainz vorbeigefahren.