Es dürfte nicht viele namhafte Filmemacher geben, die in über zwanzig Jahren nur ein gutes Dutzend Filme gemacht haben, in der gleichen Zeit aber mindestens genauso oft ausgezeichnet worden sind. Max Färberböck gilt dank Werken wie der ersten "Bella Block"-Folge (Grimme-Preis), "Aimée und Jaguar", "Anonyma" oder "Sau Nummer vier" (Bayerischer Fernsehpreis) zu Recht als einer der renommiertesten deutschen Regisseure, und diesen Status bestätigt er mit seinem ersten "Tatort" eindrucksvoll. Außerdem gelingt es ihm mit dem Krimi "Am Ende Flurs", die Münchener Kommissare Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl) mal in einem etwas anderen Licht zu zeigen.
Auf getrennten Wegen zum selben Ziel
Vordergründig erzählt Färberböck, der das Drehbuch gemeinsam mit Catharina Schuchmann geschrieben hat, eine ganz normale Krimigeschichte: Eine junge Frau liegt nach einem Sturz aus dem zwölften Stock zerschmettert auf der Straße. Es gibt keine Hinweise auf Fremdeinwirkung. Trotzdem geht die Mordkommission dem Fall nach. Leitmayr ist allerdings ganz flott raus aus den Ermittlungen, denn er hat nicht kundgetan, dass die Tote seine frühere Freundin war. Trotzdem lässt er natürlich nicht locker, und so gelangen die beiden Hauptkommissare auf getrennten Wegen zum selben Ziel: Die schöne Lisa (Fanny Risberg) hat sich verkauft, und zwar ziemlich teuer, weil sie in völlig unterschiedlichen Männern eine tiefe Sehnsucht weckte. Diese Herren sind naturgemäß allesamt erst mal verdächtig, denn für sich allein konnte keiner sie haben; auch Leitmayr nicht.
"Am Ende des Flurs" ist und bleibt in erster Linie ein Krimi, zumal kurz nach der jungen Frau ihr väterlicher Freund das Opfer eines regelrechten "Overkills" wird. Zwischen den Bildern jedoch lässt Färberböck faszinierende Psychogramme entstehen: von den betuchten Kunden Lisas, die ihren exponierten Rollen entsprechend markant besetzt sind; von Leitmayr, dem der Beruf wichtiger war als die Liebe; und schließlich auch von Batic, der bei den wenig zielführenden Vernehmungen immer wieder an seine Grenzen stößt. Der Österreicher Juergen Maurer als schweigender einstiger Hockeystar, an dem sich Batic die Zähne ausbeißt, ist schon wunderbar besetzt, aber grandios ist Franz Xaver Kroetz als typisch bayerischer Großkopfeter, der gleichzeitig Wirtschaft und Regierung repräsentiert.
Ohne das je aufdringlich zu thematisieren, erzählt der Krimi auch viel über die Einsamkeit in der modernen Welt. Färberböck findet dafür eine beredte Filmsprache, etwa in Form der vielen Telefonate, die man mithört, während die Kamera (Michael Wiesweg) das großstädtische München zeigt. Ansonsten ist die Bildgestaltung gar nicht mal sonderlich dynamisch, aber von enormer Erzähldichte.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Gerade die Vernehmungsszenen sind von großer Intensität, obwohl auch hier die Inszenierung keineswegs unkonventionell ist. Dafür sind die Rückblenden, in denen Lisa zum Objekt von Sehnsucht und Begierde stilisiert wird, optisch um so ungewöhnlicher. Ein großer "Tatort", dessen völlig überraschender Schluss die Zuschauer allerdings böse in der Luft hängen lässt.