Herr Fulton-Smith, im Fernsehfilm über die Spiegel-Affäre spielen Sie Franz Josef Strauß. Wieviel mussten Sie für die Rolle zunehmen?
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Francis Fulton-Smith: So 20 Kilo dürften es schon gewesen sein. Ich habe das unter ärztlicher Aufsicht gemacht und etwa vier Monate dazu gebraucht.
Wie haben Sie es geschafft, so viel zuzunehmen?
Fulton-Smith: Vereinfacht gesagt habe ich mittags einfach ein Schnitzel mehr gegessen als normalerweise. Man muss im Grunde alles machen, was ungesund ist, deshalb ist es auch ganz gut, wenn begleitend ein Arzt mit an Bord ist, denn Übergewicht ist auf Dauer gefährlich. Zum Glück sind die Pfunde im Wesentlichen wieder runter.
Wie haben Sie sich darüber hinaus auf die Rolle vorbereitet? Den bayerischen Akzent mussten Sie als gebürtiger Münchner ja nicht üben.
Fulton-Smith: Ich habe sehr viel Zeit in Archiven verbracht und Hunderte Stunden Film- und Bildmaterial von Franz Josef Strauß durchgeackert. Es war gar nicht so einfach, seinem komplexen Charakter gerecht zu werden, und hat ein hohes Maß an Konzentration erfordert. Es hat aber auch eine Menge Spaß gemacht, man hat ja nicht jeden Tag Gelegenheit, so eine schillernde und gleichzeitig umstrittene Figur wie Franz Josef Strauß zu spielen. Das ist für einen Schauspieler natürlich ein Fest und war für mich persönlich ein ganz großes Abenteuer.
"Hinter der polternden Fassade verborg sich ein wahnsinnig sensibler Mensch"
Was halten Sie denn von Franz Josef Strauß, der ja eine ungemein polarisierende Gestalt war?
Fulton-Smith: Eine gute und schwierige Frage, die sich auf die Schnelle nicht leicht beantworten lässt. Ich bin in München zu einer Zeit aufgewachsen, als Franz Josef Strauß Ministerpräsident in Bayern war und mich in gewisser Weise in meiner Jugend stark geprägt hat. In jedem Fall kann man glaube ich sagen, die Familie Strauß hatte etwas von den Kennedys. Sie war zu einer bestimmten Zeit schillernd, polarisierend, mächtig und gleichzeitig auch tragisch. Wir alle haben ein medial geprägtes Bild dieser Familie im Kopf und gleichzeitig ein sehr unvollständiges Bild von dem Menschen Franz Josef Strauß. Das habe ich erst gemerkt, als ich mich mit ihm eingehender auseinandergesetzt habe.
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Welche neuen Erkenntnisse haben Sie denn gewonnen?
Fulton-Smith: Sagen wir mal so, das Bild des polarisierenden Überpolitikers Strauß wurde insofern relativiert, als sich hinter dieser oft auch polternden Fassade ein wahnsinnig sensibler Mensch und ein liebevoller Familienvater verborgen hat. Es ging mir vor allem darum, den Menschen Strauß zu porträtieren. Das Spannende an der Spiegel-Affäre ist ja, dass mit Strauß und Augstein zwei Männer aufeinandergeprallt sind, die eine ähnliche Geschichte hatten – beide waren im Zweiten Weltkrieg Soldaten, beide waren in russischer Gefangenschaft und beide hatten ihre jeweils eigene, absolute Vorstellung davon, wie sich Deutschland nach dem Nazi-Terror und dem Zusammenbruch entwickeln soll. Beide waren absolut davon überzeugt, dass ihr Weg der richtige ist. Augstein wollte verhindern, dass der damalige Kronprinz Strauß irgendwann Kanzler wird, und Strauß hat einen beispiellosen Angriff auf die Pressefreiheit initiiert und das Parlament belogen. Daher war es logisch und richtig, dass Strauß gehen musste.
Welche politische Bedeutung hat die Spiegel-Affäre Ihrer Meinung nach?
Fulton-Smith: Ich glaube, dass sie die Geburtsstunde des demokratischen Bewusstseins in der jungen Bundesrepublik Deutschland war. Die 68er-Bewegung in dieser Form wäre ohne die Spiegel-Affäre nicht denkbar gewesen.
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Franz Josef Strauß wollte Jahre nach der Spiegel-Affäre Kanzler werden und ist bei der Bundestagswahl 1980 gegen den Amtsinhaber Helmut Schmidt angetreten. Damals waren Sie 14 Jahre alt – waren Sie wie viele Jugendliche gegen Strauß?
Fulton-Smith: Ich komme aus einem sehr liberalen, sozialdemokratischen Elternhaus, das meinen Standpunkt in dieser Frage sicher geprägt hat. Als ich mich in Vorbereitung auf die Rolle näher mit Strauß befasst habe, musste ich mein damaliges Bild von ihm teilweise korrigieren. Mit Schwarzweiß-Malerei kommt man Franz Josef Strauß nicht bei. Ich bin ihm als Jugendlicher kritisch gegenübergestanden und das tue ich auch heute noch. Aber er ist mir durch die Rolle sehr nahe gekommen, und als Schauspieler muss ich immer den schützenden Brudermantel um die Figur legen, die ich spiele.
Das ist Ihnen gelungen. Hatten Sie 1980 eigentlich einen "Stoppt Strauß"-Button an der Jacke?
Fulton-Smith: Nein, das nicht. Ich bin schließlich in Bayern aufs Gymnasium gegangen und wollte dort auch Abitur machen.
Mit wem von den beiden wären Sie denn lieber ein Bier trinken gegangen – mit Strauß oder Augstein?
Fulton-Smith: Ehrlich gesagt mit beiden. Ich glaube, die beiden waren gar nicht so verschieden – unter anderen Umständen hätten sie vielleicht auch Freunde werden können.