Nelson Mandela hatte sein berühmtes Lächeln auf den Lippen, als er vor zwei Jahrzehnten vor das Wahllokal der Gemeinde Inanda in der Nähe der Hafenmetropole Durban trat. "Dies ist der Beginn einer neuen Ära", sagte der ehemalige Gefangene, der sich anschickte, Präsident seines Landes zu werden. Vom 26. bis 29. April 1994 fanden in Südafrika die ersten freien Wahlen statt. Mandela versprach eine Ära der Hoffnung, der Versöhnung und des Aufbau einer Nation. Das Land habe die Zeit des Pessimismus, der Spaltung und des Konflikts hinter sich gelassen.
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Vier Jahre nach der Freilassung Mandelas sollte die Wahl das Ende des Apartheid-Regimes besiegeln, das die schwarze Mehrheit jahrzehntelang unterjocht hatte. In ganz Südafrika bildeten sich kilometerlange Menschenschlangen vor den Wahllokalen. Alte und Gebrechliche wurden von ihren Angehörigen gestützt, einige sogar getragen. Viele Männer und Frauen hatten ihr ganzes Leben auf diesen Tag gewartet, vor allem die Schwarzen, die zum ersten Mal gleichberechtigt neben den Weißen wählen durften. Stundenlange Wartezeiten konnten sie nicht davon abhalten, ihre Stimme abzugeben.
Viele kamen mit Landsleuten ins Gespräch. "Sie erkannten auf einmal, dass sie alle Südafrikaner waren und sie waren stolz darauf", erinnert sich der emeritierte anglikanische Erzbischof Desmond Tutu in seinem Buch "The Rainbow People of God" (Die Regenbogen-Nation Gottes). Alle hätten sich wie frisch verliebt gefühlt, das ganze Land sei tagelang auf Wolke Sieben geschwebt.
Überforderte Wahlhelfer
Dabei war der Frieden damals höchst unsicher. Seit der Freilassung Mandelas 1990 waren bei politischen Unruhen und Anschlägen mehr als 15.000 Menschen ums Leben gekommen. Kurz nach der Öffnung der Wahllokale zündeten weiße Rechtsextremisten eine Bombe am Johannesburger Flughafen. Schon in den Tagen und Wochen zuvor hatten sie mehrere Anschläge verübt, um einen eigenen "Volksstaat" zu erzwingen. Es gab Tote und Verletzte.
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Neben den weißen Ultras schürte auch die von Zulus dominierte "Inkatha-Freiheits-Partei" die Angst vor dem Ausbruch eines Bürgerkriegs. Sie forderte regionale Autonomierechte und drohte bis kurz vor dem Wahltermin mit einem Boykott. Ihre Anhänger lieferten sich mit denen des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) blutige Kämpfe.
Die friedliche, teils euphorische Stimmung der Wähler konnte jedoch weder durch die Angst vor Gewalt, noch durch erhebliche logistische Pannen getrübt werden. Vor allem in den ländlichen Gebieten der Schwarzen, den früheren Homelands und den dicht besiedelten Townships am Rande der Städte fehlten zunächst Stimmzettel, Wahlurnen und Wahlkabinen. Der Urnengang war in extrem kurzer Zeit organisiert worden, viele Wahlhelfer waren überfordert, Unregelmäßigkeiten und sogar Betrugsversuche wurden gemeldet.
Mandelas Freudentanz
"Diese Wahl ist weit entfernt von Perfektion, aber noch viel weiter von einem Desaster", bilanzierte der sichtlich erschöpfte Leiter der südafrikanischen Wahlkommission Johann Kriegler damals. Internationale Beobachter stimmten ihm zu, dass die erste demokratische Wahl im Großen und Ganzen fair und frei gewesen sei und das Ergebnis den Willen der Wähler widerspiegele. Wenige Tage später verkündete Nelson Mandela mit einem Freudentanz und den Worten "Endlich frei!" den Sieg des ANC, der rund 62 Prozente der Stimmen errungen hatte. In den Townships wurde daraufhin die ganze Nacht frenetisch gefeiert.
Die bislang regierende Nationale Partei (NP) gestand ihre Niederlage ein. Sie kam auf nur 20 Prozent. Gemeinsam mit dem ANC und der Inkatha bildete sie eine "Regierung der Nationalen Einheit". Das war in der Übergangsverfassung vorgesehen und ganz im Sinne der Versöhnungspolitik des neuen Staatspräsidenten Mandela.
Wenn nun die Südafrikaner am 7. Mai zur fünften demokratisch Parlamentswahl gehen, ist von der Aufbruchstimmung nicht mehr viel geblieben. Seit 1994 regiert der ANC das Land mit großer Mehrheit. Korruptionsskandale, Armut und Arbeitslosigkeit haben die Hoffnung von damals großteils in Ernüchterung und Wut verwandelt.