Bitsy ist ein besserwisserisches Bilby. Sie lebt an einem Billabong (Wasserloch) im staubigen australischen Outback. Bitsy könnte eine so nette Zeitgenossin sein, wäre sie bloß nicht so dominant. Immer will sie der Boss sein, drängt jedem unerbetene Ratschläge auf. Die Possums raunzt Bitsy an, sie sollten ihre Babys bitte in einem Beutel statt auf dem Rücken tragen. Fledermäuse, findet sie, sollten gefälligst Federn haben und Kakadus lieber singen als kreischen. Dann aber wundert sich Bitsy mit völligem Unverständnis, warum sich die Dinge nicht so ändern, wie sie es gerne hätte.
Das ist auch schon die Moral der Bildergeschichte des Kinderbuchs "Bitsy, the Bossy Bilby": Gott hat die Welt so geschaffen, wie sie ist. Und das ist gut so. Oder wie es auf der Online-Ratgeberseite für christliche Eltern "Growing Faith" heißt: "Durch diese wunderschön illustrierte Geschichte lernen wir, dass Gott der Boss ist und alles nach seinem perfekten Plan funktioniert."
Teilweise schon ausgestorben
Bilbies sind Australiens neue Osterhasen. Diese Karriere hat der Kaninchennasenbeutler Frank Manthey und Peter McRae zu verdanken. Mit Begeisterung, mit Hingabe, ja, mit einem Hauch Besessenheit haben sich beiden Australier der Rettung des vom Aussterben bedrohten Bilby verschrieben. Bilbies verfügen über alle Qualifikationen für den Osterjob: Sie sind graubraun, haben lange Ohren und hoppeln sogar. Gut, der Schwanz ist kein Stummel, sondern macht etwa die Hälfte der Körperlänge aus. Die lange, spitze Schnauze hat etwas Rattiges. Dass ihre Vettern in Indien Schweineratten heißen, muss man ja niemandem erzählen. Insgesamt sind Bilbies also putzig und folglich bestens geeignet als Eier bringendes Ostertier.
###mehr-artikel###
Viele Tierarten sind in Down Under in ihrer Existenz bedroht. In einigen Regionen sind gar die knuddeligen Koalabären ihres Überlebens nicht mehr sicher. Um sich von der ‚Konkurrenz’ der Beschützer so mancher Tierart abzuheben, hatten Manthey und McRae vor vielen Jahren den genialen Einfall, aus dem Bilby den Osterbilby zu machen. Wie jeder gewiefte Verkäufer wissen auch die beiden Männer aus Queensland: Willst du an die Erwachsenen ran, musst du die Kinder erreichen.
In Australien hoppelten die Beuteltierchen, die in selbst gegrabenen Höhlen leben, einstmals in den Ausführungen Großer und Kleiner Bilby durch das trockene, heiße Outback. Der Kleine Bilby ist allerdings schon vom Erdboden verschwunden. "Der wurde letztmalig 1932 gesehen", weiß Manthey. Aber auch der Lebensraum des 20 bis 55 Zentimeter langen Großen Bilby, auch als Kaninchennasenbeutler bekannt, schrumpft dramatisch. In New South Wales und Südaustralien ist das nachtaktive Tier bereits ausgestorben. In den Halbwüsten im Norden und Westen Australiens soll es noch Bilbies geben. "Aber das ist meistens Aboriginal-Land. Deshalb ist dort die Forschung schwierig. Aber Aborigines berichten, dass sie immer mehr Füchse und wilde Katzen sehen. Das sind keine guten Aussichten", klagt Manthey.
Jagd auf den Osterhasen
Der Name Bilby ist ein Lehnwort aus der Sprache des Aboriginal-Volkes Yuwaalaraay in New South Wales und bedeutet soviel wie langnasige Ratte. Die australischen Ureinwohner schätzten das Fleisch der Kaninchennasenbeutler als Leckerbissen und der Pinselschwanz der Tiere diente ihnen als Schmuck.
Grund für den Überlebenskampf des putzigen Macrotis lagotis sind eingeschleppte europäische Tierarten wie eben Füchse und Katzen, vor allem aber Hasen und Kaninchen. Die vermehrungsfreudigen Nager, deren Zahl durch die Abwesenheit natürlicher Feinde auf mindestens 300 Millionen geschätzt wird, sind Nahrungsmittelkonkurrenten des Bilby in der einheimischen Fauna. Durch ihre ungebremste Fressgier zerstören Hasen und Kaninchen ganze Landstriche und damit auch das natürliche Habitat der Bilbies. Deshalb will Manthey dem Hasen die Osterehre nehmen: "Warum sollen wir ein Tier, das immensen Schaden anrichtet, auch noch feiern?"
Als Tierfreund wählt der 70-jährige Manthey in seinem Kampf gegen die Hasen allerdings einen softeren Ansatz als die Hasenfeinde im benachbarten Neuseeland. Dort blasen Jäger in Otago auf der Südinsel jedes Jahr kurz vor Ostern zum großen "Easter Bunny Hunt". Im Schnitt 20.000 Häschen werden bei dem jährlichen Osterhasenmassaker zur Strecke gebracht. Hasen und Kaninchen sind in Neuseeland eine ebenso große Plage wie in Australien.
Manthey und McRae richteten im Currawinya Nationalpark in Queensland ein Reservat für die Bilbies ein. Dazu musste zum Schutz vor Räubern ein Zaun her, der eine halbe Million australische Dollar kostet. Das Geld dafür – und für andere Projekte wie Aufklärungsaktionen und die Bilbyforschung – treiben sie mit ihrer "Save the Bilby"-Stiftung über Spender, Sponsoren, Bilbypatenschaften sowie den Verkauf von Merchandiseprodukten wie Plüschbilbies auf.
"Wir benehmen uns wie besoffene Millionäre"
Den Osterbilby gibt es dank der Schokoladenmarke Pink Lady sogar als süße Alternative zu den gemeinen Schoko-Osterhasen zu kaufen. "Der Bilby lebt seit 15 Millionen Jahren in Australien", sagt Fyna-Foods-Sprecherin Natalie Trinh. Die eingewanderten Australier hätten dann in nur etwa zweihundert Jahren das Tier an Rand der Ausrottung gebracht. Fyna Foods Australia sei deshalb als Sponsor "stolz darauf", mit seinen Mitteln "einen positiven Beitrag zum Erhalt unserer einheimischen Tierarten zu leisten". Die Initiativen der Rettet-den-Bilby-Stiftung und anderer Projekte zahlen sich langsam aus. In der Sicherheit der Schutzzonen kamen in den letzten Jahren Bilbybabys zur Welt, von denen einige bereits erfolgreich ausgewildert werden konnten.
Manthey ist ein Überzeugungstäter. Das Schicksal des Bilby ist für den Aussie mit preußischen Vorfahren ein Paradebeispiel für die Sorglosigkeit der Menschen im Umgang mit der Natur. "Wir benehmen uns doch wie besoffene Millionäre", klagt Manthey. Der wilde Bilby und sein süßer Schokokollege seien "großartiger Botschafter", um auf die Not anderer gefährdeter Tiere aufmerksam zu machen.
Der 10. September ist in Australien seit 2005 der regierungsamtliche "Nationale Bilby Tag". Den hat Manthey durchgesetzt. Diese Ehre wurde bisher keinem australischen Tier zu Teil - nicht einmal Känguru und Emu, die immerhin Australiens Staatswappen zieren.